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World Airports WeltflughÀfen

FlughĂ€fen sind Knotenpunkte des Lebens, in hohem Maße inszenierte, symboltrĂ€chtige Prestigeobjekte eines Lebens, das sich zwischen Abflug und Landung abspielt. Meist sind FlughĂ€fen das erste, was der Reisende von einem Land sieht, eine Visitenkarte - und die BemĂŒhungen der Flughafenbetreiber, dem Passagier diese Momente so komfortabel wie möglich zu machen, finden sichtbaren Ausdruck in der Architektur. Eine Flughafen-Ausstellung und die zugehörige Publikation lassen aufhorchen, gerade in Frankfurt am Main, wo die Diskussion um den weiteren Ausbau des Airports noch lange nicht beendet ist. Viel Geld lĂ€sst sich die Fraport AG die Werbemaßnahmen fĂŒr die Erweiterung oder auch die im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt prĂ€sentierte Ausstellung "World Airports" kosten, in diesem Fall ungefĂ€hr 100 000 Euro zusĂ€tzlich Sachleistungen: fĂŒr die Fraport AG so gut wie nichts, fĂŒr das von enormen HaushaltskĂŒrzungen arg gebeutelte Deutsche Architektur Museum jede Menge.
Die Problematik von Ausstellung und Buch liegt vor allem in ihrer Positionslosigkeit in der so aktuellen Frage: Zur Diskussion um den Ausbau des Frankfurter Flughafens beziehen sie kaum Stellung. Wieviel Flughafen brauchen die ohnehin mit FluglĂ€rm geplagten StĂ€dte rund um Frankfurt, wieviel ist nötig - und welchen Preis ist man bereit, dafĂŒr zu zahlen? Dazu erzĂ€hlt das von Kurator Manuel Cuadra herausgegebene Ausstellungsbuch "World Airports" nichts.
So feiert das Buch erst einmal die Bauhistorie und ihre glĂ€nzende Ästhetik, die am Anfang gar nicht so glĂ€nzend war: Den GebrĂŒdern Wright diente noch eine einfach Wiese als Landeplatz, ihr Hangar war aus Holzbrettern gezimmert, denn erst mit dem BedĂŒrfnis nach ZuverlĂ€ssigkeit und Komfort entwickelte sich eine genuine Flughafenarchitektur.
Doch schon der 1909 eröffnete erste deutsche Flugplatz Johannisthal im SĂŒdosten Berlins erfĂŒllte dieses ReprĂ€sentationsbedĂŒrfnis: StehplĂ€tze fĂŒr das einfache, schaulustige Volk, TribĂŒnen fĂŒr die BĂŒrger - Flugzeugwerke, Fliegerschulen und die Deutsche Versuchsanstalt fĂŒr Luftfahrt gruppierten sich nach und nach um das spektakulĂ€re erste Flugfeld. 1919 eröffnete in Königsberg der erste Passagierterminal, zehn Jahre danach das elegante im Sinne des Neuen Bauens von Hans Wittwer entworfene Flughafenrestaurant von Halle-Leipzig mit seiner feingliedrigen, nach allen Seiten transparenten glĂ€sernen Vorhangfassade - die auffĂ€llige Ähnlichkeiten mit dem Dessauer Bauhaus erkennen lĂ€sst. Berlin Tempelhof (1936-1939), Aeroporto Santos Dumont in Rio de Janeiro (1937-1944), John F. Kennedy International Airport (1956-1962), AĂ©roport Charles de Gaulle (1964-1974), Flughafen Berlin-Tegel (1974-1982) und Stansted Airport (1981-1991) waren SchlĂŒsselbauten der modernen Flughafenarchitektur - Zeugnisse von Fortschrittsoptimismus und bedeutende Beispiele ihrer jeweiligen Architekturepochen.
Der Schwerpunkt liegt auf den Bauten der Gegenwart: Mit den neuen FlughĂ€fen von Kuala Lumpur (Kisho Kurokawa & Associates), Hong Kong (Foster & Partners), Sevilla (Rafael Moneo), MĂŒnchen (Hans-Busso von Busse & Partner), Washington (Cesar Pelli & Partner), Paris (Paul Andreu), Bankok (Murpy & Jahn) und Berlin (von Gerkan, Marg & Partner) werden acht Architekturprojekte und ihre Architektenteams detailliert vorgestellt - mit Abbildungen von Modellen, Fotografien, Luftaufnahmen und Architekturzeichnungen.
Allen neuen Projekte gemein ist die Verve und das Pathos, mit der die Architekturaufgabe gemeistert wird: FlughĂ€fen sind heute urbane, dynamische Zentren, die von Menschenströmen durchlaufen werden - in Frankfurt am Main sind es jeden Tag 140 000 GĂ€ste. Kleine und große Unternehmen aus allen Bereichen des Handels haben heute ihren festen Platz in diesem Architektursystem, das aus Passagierterminals, Flugsteig, GepĂ€ckförderanlagen, Flugzeugterminals, KontrolltĂŒrmen, Hangars, Lagerhallen fĂŒr Luftfracht, ParkhĂ€usern, Hotels, Bahnhöfen und VerwaltungsgebĂ€uden besteht.
Die Faszination Zukunft regnet glitzernde Sterne - doch kaum jemand vermag abzusehen, wo das alles enden mag. Auch Kurator Manuel Cuadra nicht: "Nach der Geschwindigkeit zu urteilen, mit der sich FlughÀfen in der Gegenwart entfalten, stehen wir erst am Anfang eines Prozesses, an dessen Ende der Flughafen wohl als Kern der Regionalstadt des 21. Jahrhunderts steht." FlughÀfen sind heute vollkommen abgeschlossene Gebilde, die sich vor allem durch ihren prÀzisen Funktionalismus und ihre unbedingte Ortlosigkeit auszeichnen. Es gibt kaum eine den kulturellen Traditionen verpflichtete Flughafenarchitektur, wenn doch, sei sie schlecht, meint etwa der deutsche Architekt Helmut Jahn in einem GesprÀch mit Cuadra, das in der Ausstellung auf einem Monitor zu sehen ist. Angesprochen auf den Vorwurf der kulturellen Heimatlosigkeit seines Flughafenprojekts in Bankok ist sich Jahn ganz sicher: "HochhÀuser, die wie Pagoden aussehen, schaffen keine KontinuitÀt, sie sind nur eine Parodie der Tradition."
Die Diskussion ĂŒber die Idee vom "Flughafen als Stadt" wird eine der wichtigsten Architekturdebatten der nĂ€chsten Jahre sein - das ist der richtige Grundtenor des Buchs. FlughĂ€fen als 24-Stunden-StĂ€dte mit multifunktionalen RĂ€umen sind ein Traum der Flughafenbetreiber und Architekten, ein Traum, der nicht zwangslĂ€ufig auf Kosten von Natur und Landschaft gehen muss, wie der Frankfurter Architekturprofessor Ben van Berkel in seinem Katalognachwort schreibt. "Deep Planning", "Tiefenplanung", "Verdichtung" und "FunktionsĂŒberlappung" sind die neue Zauberworte der Debatte. Die Frankfurter Ausstellung und der Katalog bilden hierfĂŒr eine erste Diskussionsgrundlage.
Marc Peschke
Cuadra, Manuel: World Airports /WeltflughÀfen. Hrsg. Flagge, Ingeborg. 2002. 160 S., 250 fb. Abb. 30 cm. Gb EUR[D] 34,90
ISBN 3-88506-519-3
 
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