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Wie viel Wohnraum braucht der Mensch?

Auf 66 Quadratmetern ein Haus für sieben Personen zu planen erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Dass dies möglich ist beweist das in der Edition Axel Menges erschienene Buch "Living in a Small Space. Experimental projects from four continents." In dem zweisprachig (englisch/ deutsch) verfaßten Bildband stellt die Autorin Susanne Tamborini nach einer informativen Einführung minimale Architekturprojekte aus vier Kontinenten vor. Einen besonderen Schwerpunkt legt sie auf Japan, ein Land, das durch die hohe Bevölkerungsdichte eine besondere Herausforderung an die Architekten stellt. Es folgen kleine Häuser aus den für ihre Weitläufigkeit bekannten Kontinenten Australien und USA. Zuletzt werden minimale Lösungen aus Europa vorgestellt. Leider sind die Niederlande unterrepräsentiert , obwohl gerade dort auf schmalsten Grundrissen weiträumige Wohnungen entstanden sind. Der 160 Seiten umfassende Band ist mit Grundrisszeichnungen und hochwertigen Fotografien reich bebildert.
Besonders intelligente Lösungen auf kleinstem Raum zeigen verschiedene Baubeispiele aus Japan. Viele dieser Entwürfe lassen eine bewußte Weiterentwicklung der japanischen Bautradition erkennen. So wird der Außenraum in die Innenraumgestaltung mit einbezogen und es entstehen fließende Übergänge. Hierdurch wird der Wohnraum geschickt erweitert. Offene Grundrisse, bei denen die verschiedenen Funktionsbereiche ohne trennende Wände nebeneinander angeordnet sind, tragen ebenfalls zu einem großzügigen Raumeindruck bei. Wenn nötig werden Schiebeelemente anstelle von Türen als Raumteiler verwendet. So entstehen auf minimalen Grundflächen großzügige Häuser, die anstelle von Enge Weite suggerieren. Durch geschickte Raumanordnung und großzügige Fensterfronten wird der Blick auf bepflanzte Innenhöfe oder Gärten, bzw. auf herrliche Landschaften gerichtet.
Die Beispiele aus den USA und Australien zeigen, dass in diesen Kontinenten sehr viel größere Wohnflächen üblich sind als im dicht besiedelten Japan oder Europa, wo eine Wohnung von 250 Quadratmetern für ein kinderloses Paar für großzügig erachtet wird. Die Beispiele aus Australien lassen auch bei kleinen Einfamilienhäusern eine bewußte Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der dortigen Bautradition erkennen. Verandahäuser mit weitem Dachüberstand sowie einer autarken Strom- und Wasserversorgung werden in moderner Formensprache und Materialwahl weiterentwickelt. Kleine Grundrisse können bei Bedarf erweitert werden. Durch großzügige Fensterflächen wird auch hier die Landschaft in den Wohnraum integriert. In Queensland entwickelte ein Architekt aus einer filigranen Stahlrohrkonstruktion ein Zelthaus auf 60 Quadratmetern Grundfläche, das jederzeit demontiert und an anderer Stelle aufgebaut werden kann.
Die in dem Buch vorgestellten Bauten verdeutlichen exemplarisch, dass vor allem ein Maximum an Tageslicht für ein positives Raumerlebnis entscheidend ist - wichtiger als die zur Verfügung stehende Quadratmeterzahl. Daneben trägt die durchdachte Organisation von Funktionsabläufen und individuellen Lebensbedürfnissen zur qualitativen Aufwertung bei. Zugunsten großzügiger Wohnbereiche wird auf Flure, separate Gäste-WC´s oder abgetrennte Küchen verzichtet. So ist es möglich, dass selbst mit einem finanziell begrenzten Budget kreative Ideen verwirklicht werden können. Die Freude am Experiment und die Suche nach neuen Architektur- und Einrichtungskonzepten ist vielfach kennzeichnend für die Entwürfe. Es bleibt zu hoffen, dass die in diesem Buch vorgestellten Projekte ein Umdenken zugunsten preiswerter und individuell gestalteter Einfamilienhäuser anregt. Qualität und Kostenersparnis brauchen keine unvereinbaren Gegensätze zu sein - dies beweist das vorliegende Buch.
Brigitte Flick
Tamborini, Susanne. Living in a Small Space. Experimental projects from four continents. Experimentelle Projekte aus vier Kontinenten. 160 S., 208 Abb., 31 cm. 1999. DM 113,44; Eur 58,-;
ISBN 3-932565-01-0
 
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