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Barcelona Pavillon – Mies van der Rohe und Georg Kolbe

“Beste Ergänzung – also gegenseitige Bereicherung.”
Mies van der Rohe ist ein Hauptmeister der modernen Architektur - und der 1929 entstandene deutsche Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona gilt als sein Schmuckkästchen. Ein offener Architektur-Traum, gefertigt aus edelsten Baustoffen, eine Architektur gewordene Utopie moderner Lebensform im Kleinformat. Eine Ikone, ein Meilenstein der Architektur-Moderne, der wie kaum ein anderes Bauwerk Sachlichkeit und Luxus verbindet. Man könnte glauben, alles sei gesagt, geschrieben, alles sei publiziert über dieses Bauwerk.

Doch immer wieder gibt es blinde Flecken in der Forschung, wie jetzt ein schmaler, enorm aufschlussreicher Band beweist: “Barcelona Pavillon. Mies van der Rohe und Kolbe. Architektur und Plastik” untersucht das spannende, bisher kaum beachtete Wechselverhältnis von Skulptur und Architektur am Beispiel des Pavillons: Die große Skulptur “Der Morgen” des 1877 geborenen Bildhauers Georg Kolbe wird hier erstmals als integraler Bestandteil des „fließenden Raums" der Pavillon-Architektur vorgestellt. Der hier vorgestellte Band ist Katalog und selbstständige Publikation in einem.

Der 1986 anlässlich der Rekonstruktion des Gebäudes gefertigte Nachguss des 1929 in Barcelona gezeigten Gipsmodells “Der Morgen” ist mehr als eine Zier für die Architektur. Er ist, wie Kolbe selbst gesagt hat, “beste Ergänzung – also gegenseitige Bereicherung.” Der im Hof des Pavillons an sehr prominenter Stelle aufgestellte Frauenakt galt schon zur Entstehungszeit als Beispiel einer neuen, selbstbewussten Bauplastik, die sich der Architektur nicht unterordnete, sondern ihr ebenbürtig gegenüberstand.

Überraschend ist vielleicht die Tatsache, wie sehr Mies van der Rohe, der vermeintliche Bilderstürmer des Neuen Bauens, gerade die traditionsreiche gegenständliche Bildhauerkunst in der Nachfolge Auguste Rodins verehrte. Der moderne Architekt war mit Wilhelm Lehmbruck befreundet, mit dem er wiederholt, etwa auch beim “Haus Tugendhat” in Brünn, zusammenarbeitete - außerdem war Mies van der Rohe ein glühender Verehrer der Kunst von Aristide Maillol. Doch gerade das Schaffen von Georg Kolbe erschien Mies als nachgerade ideale Ergänzung und Bereicherung seiner Architektur: Auch im Jahr 1931 verwendete er eine Figur Kolbes für sein Musterhaus auf der Deutschen Bauausstellung in Berlin.

Kolbe hatte ebenso Erfahrung im Umgang mit anderen Architekten: Er arbeitete unter anderem mit Bruno Taut, Walter Gropius, Hans Poelzig oder auch Erich Mendelsohn gemeinsam an dem Ziel, die Grenzen der Bauplastik zu überwinden. Das wunderbar gedruckte Buch versammelt Beiträge über den Architekten und den Bildhauer – aber auch über das Verhältnis von Architektur und Skulptur im allgemeinen. Eine ausführliche Bibliografie rundet den Band ab.


Marc Peschke
Barcelona Pavillon /Barcelona Pavilion. Mies van der Rohe und Kolbe Architektur und Plastik /Architecture and Schulpture. Hrsg.v.Georg Kolbe Museum. 192 S., 106 sw. u. 21 fb. Abb. 25 x 20 cm. Pb. Jovis, Berlin 2006. EUR 24,80
ISBN 3-939633-06-2
 
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