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Was ist Jugendstil? Eine Analyse der Jugendstilarchitektur 1890-1910 |
Was Jugendstil sei, die Beantwortung dieser Frage gehört zum Grundsätzlichen einer Beschäftigung mit der Zeit um das Jahr 1900 in Europa. Wie läßt sich das Spezifische des Jugendstil konkret fassen und worin bestand der Beitrag dieser europäischen Kunstrichtung?
Stefanie Lieb, Autorin des Buches, das hier vorgestellt werden soll, sucht, was Jugendstil ist, durch die "Analyse der Jugendstilarchitektur" zwischen 1890 und 1910 zu klären. Die Lektüre der reich mit Abbildungen versehenen aufschlussreichen Arbeit, deren Mittelpunkt die großen Kapitel "Charakteristika der Jugendstilarchitektur" (S. 23-71) und "Richtungen der Jugendstilarchitektur" (S. 73-184) bilden, vermag den Leser schnell zu fesseln – dass sich eine kunstwissenschaftliche Analyse erfrischend liest, kommt nicht oft vor.
Dies liegt nicht nur allein am Text, sondern auch an der ansprechenden Verbindung zwischen den Texten und Bilden. Sie zeichnet sich durch eine sorgfältige Motivauswahl aus. Immer wieder wird liebevoll auf bestimmte Aspekte des Jugendstil hingewiesen (zum Beispiel: das Detail der Straßenfassade des Hôtel Solvay von Victor Horta in Brüssel, S. 105, Abb. 121), die der Besucher vor Ort vielleicht übersehen könnte. Die flüssige Darstellung der Autorin ist Ausdruck einer profunden Kennerschaft des Jugendstil, welche sich jedoch nie als Detailwissen gegenüber dem Kriterium der Anschaulichkeit in den Vordergrund drängt.
Als ausgesprochen hilfreich erweist sich die Angabe der Lebensdaten der im Text erwähnten Persönlichkeiten in Klammer (fast immer), da sich im Verlauf der Lektüre dadurch ein biographisches Netz der am Jugendstil beteiligten Persönlichkeiten vor dem inneren Auge des Lesers entfaltet. Die inhaltliche Dichte der insgesamt über 50 kurzen Unterkapitel weckt beim Leser Assoziationen und Neugierde am Jugendstil, die dem vertieften Studium dieses Phänomens förderlich sind. Konsequenterweise findet sich jeweils am Ende der Hauptkapitel weiterführende Spezialliteratur.
Dies alles bewirkt, dass gewiss auch der so genannte interessierte Laie das Werk mit Vergnügen in einem Zug durchliest. Das Teilkapitel über "Mackintosh und die Glasgower Kunstschule" (S. 74-87) weckt geradezu die Lust, das Gelesene vor Ort bei einer Reise selbst in Augenschein zu nehmen! So wird, um was der Verlag in der Ankündigung zu diesem Buch warb, tatsächlich voll eingelöst: "Ziel dieses Buches ist es, den Leser für die vielen Formvarianten und den Phantasiereichtum der Jugendstilarchitektur zu begeistern und gleichzeitig die Grundlagen für eine differenzierte Einordnung de Epoche zu schaffen". In ihrer Einschätzung und Würdigung des Jugendstil als einem Gesamtkunstwerk ist der Autorin zuzustimmen, wenn diese am Ende zusammenfassend schreibt: "Die Verschönerung der menschlichen Umwelt durch Architektur, die einen Ausdrucksgehalt über die reine Funktion vermitteln kann, war das Anliegen der Jugendstilarchitekten - ein Wunsch, der auch heute noch geäußert werden darf." (S. 187).
Das ästhetisch ansprechende Buch, in dem lediglich die Querbalken in Pompejanisch Rot mit den Kapitelüberschriften etwas stören, darf wärmstens empfohlen werden. Es ist als Einführung in das Thema bestens geeignet, weil es weder zu lang noch zu kurz ist, jedoch die nötige inhaltliche Tiefenschärfe hat. Außerdem leistet es als Nachschlagwerk nützliche Dienste (Register S. 199- 203) und bietet auch für den Kenner manche Anregungen (etwa den Hinweis auf die Vorbildrolle des bekannten französischen Architekten des 19. Jahrhunderts, Eugnène Emmanuel Violet-le-Duc, für Antoni GaudÃ). Dass die vorliegende Publikation im Primus Verlag schon der zweite Titel – neben Günther Bindings Werk "Was ist Gotik?" - ist, lässt den Verdacht aufkommen, dass hier möglicherweise eine Buchreihe in loser Folge lanciert wird. Dies wäre allerdings nicht falsch.
26.6.2001 |
| Matthias Mochner |
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Lieb, Stefanie: Was ist Jugendstil?. Eine darstellende Analyse der Jugendstilarchitektur 1890-1910. 2000. 206 S. 27 cm. Gb EUR 49,90 |
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ISBN 3-89678-197-9
[Primus]
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