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Max Bill - Funktion und Funktionalismus

Max Bill ist einer der großen Gestalter des 20. Jahrhunderts gewesen, zweifellos war dieser ästhetische Purist der ersten Stunde, aber auch ein Moralist, und so hat er die sich anbahnende geschmackliche Entwicklung des „anything goes“ mit Bedenken und nicht ohne spürbare Verbitterung begleitet und kommentiert. Den idealistisch gestimmten Aufbruch der „Stunde Null“ und das Geschwundensein der Hoffnung auf eine Warenästhetik, die zugleich ästhetische Instanz sein könnte, belegen die nun von seinem Sohn Jakob herausgegebenen gesammelten Reden des Meisters. Nicht immer ist der Anlass ein dem Redner gemäßer (ein verklärender Festredner zu sein, hat er sich stets und auch dort gewehrt, wo er zweifellos dazu bestellt worden war): Max Bill beschreibt und beruft das, was sein könnte, wenn kaufmännisches Denken und durchdachtes Design eine Allianz eingehen würden, in der der Gestalter oberste Autorität ist. Er tut dies ironisch, mit einem Augenzwinkern und in der Attitüde, kein großer Redner zu sein, er kann aber auch fordernd auftreten und mit unverblümter Offenheit, so, wenn er den Honoratioren von Denver zu verstehen gibt, dass die Gründerzeitbauten noch das Beste an ihrem Stadtbild seien und das Funktionellste zudem oder, wenn er einer Möbelfirma attestiert, dass die Imitation jeweils aktueller Trends nicht der Königsweg zu dauerhaftem und akzeptablem Design sei. Wobei er das eigene Berufsumfeld von seiner Kritik nicht ausspart: „Seit wir voller Hoffnung vor 25 Jahren in Ulm die Hochschule für Gestaltung aufgenommen haben, ist bei den Gestaltern, deren Ausbildung mir damals vorschwebte, eine Betriebsamkeit entstanden, die sich vom kunstgewerblichen Zeichner der Jahrhundertwende nur noch durch den amerikanischen Namen unterscheidet.“ (S. 194) Am Ende scheint er resigniert zu haben. Der Entwerfer so vieler Design-Klassiker, wie etwa des stapelbaren Dreibeinstuhls mit T-Zarge (1949) oder der Junghans-Küchenuhr mit Kurzzeitmesser (1956/57), resümierte 1988 in seiner letzten abgedruckten Rede: „Das Nützliche, auf schöne Art Bescheidene, gibt es kaum mehr. Es ist vom Markt verschwunden.“

Leider erfahren wir aus dem Band nicht viel über Max Bills Wegstationen, an denen diese Reden gehalten wurden, es gibt keinen Lebenslauf, keine Bibliographie, kein erhellendes einleitendes Vorwort. Hier hätte es schon einiger Hinweise bedurft, um den Nachgeborenen die Bedeutung des Gesagten im jeweiligen Zeitkontext deutlich zu machen. Soviel aber steht für jeden unmittelbar vor Augen: Der fordernde Idealismus dieses am Beginn der Bundesrepublik stehenden Schweizers kann heilsame Wirkung entfalten, weil er Konzentration auf das Wesentliche, für ihn Unverzichtbare fordert, in Rede und Gestaltung, ohne Umschweife, ohne Zierrat, puristisch und klar, einfach ohne simpel zu sein.

Hier wird der Redner und Propagandist Max Bill neben seinem Antagonisten Otl Aicher erstmals in solchem Umfang fassbar, - ein streitbarer Gestalter mit Grundsätzen.


Jörg Deuter
Max Bill - Funktion und Funktionalismus. Schriften 1945-1988. Vorw. v. Bill, Jakob. Hrsg.v. Bill, Jakob. 208 S., 25 sw. Abb. 21 x 14,8 cm. Benteli, Bern 2008. Pb EUR 24,00
ISBN 3-7165-1522-1
 
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