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Das mittelalterliche Bild als Zeitzeuge

Das aktuelle Buch von Robert Suckale ist ein Sammelband mit sechs Studien des Kunstgeschichtsprofessors. Die Beiträge zu den nordalpinen Bildwerken des 13. und 14. Jhs sind bereits in anderer Form publiziert, neu ist die umfangreichste Abhandlung zu dem bislang wenig beachteten römischen Weltgerichtsbild aus dem Frauenkonvent S. Maria di Campo Marzio in Rom, mit welcher der Verfasser seine Herangehensweise an ein Kunstwerk exemplarisch vorführt. Suckale erklärt die Form des Altarbildes, die Lesart der Darstellungen und die Motive der Malereien sowie deren Bedeutung und Ikonographie als ein Ergebnis des durch die Gregorianische Kirchenreformbewegung geschaffenen geistigen Klimas in der Ewigen Stadt. Mit seiner Eingrenzung der Entstehungszeit des Weltgerichts auf die Zeit von 1061 bis 1071 antwortet er auf die kontroversen Datierungsvorschläge, die bis zu 200 Jahre divergieren. Es ist eine für das gesamte Buch mustergültige Annäherung, die Suckale dem Leser mit seinem Beitrag über dieses faszinierende hochmittelalterliche Altarbild vorführt. Seine Vorgehensweise, durchdrungen von der Überzeugung der Multifunktionalität des Werkes, steht unter der Prämisse, zunächst die historischen Gegebenheiten für die Entstehung eines Kunstwerkes zu beleuchten. Am deutlichsten wird diese Forderung im Text über die französische Hofskulptur des 13. Jahrhunderts formuliert, in dem der Autor mit der Pariser Mega-Schau des Jahres 1998 "L'Art au temps des rois maudits. Philippe le Bel et ses fils 1285-1328" abrechnet. Neben der Kritik an der Zusammenhanglosigkeit der in der Ausstellung präsentierten Stücke verurteilt Suckale harsch die dort geschehene Negierung von Erkenntnissen über den nachweisbaren eklatanten Wandel in Politik und Kunst der Dezennien zwischen 1250 und 1300. Alles sei dem Schein der Kontinuität in diesen Epochen geopfert und dem Ausstellungskonzept der Macher untergeordnet worden. Fehleinschätzungen und Falschdatierungen seien die Folge.
Wie ein roter Faden zieht sich die Beantwortung der Fragen nach den Umständen der Entstehung und schließlich nach der Datierung von Artefakten auch durch alle weiteren Buchbeiträge und werden im Titel "Das mittelalterliche Bild als Zeitzeuge" auf den Punkt gebracht. Egal ob der Autor den Ursprungsort des Bildtypus der "Löwenmadonna" sucht, die Grabfigur des heiligen Erzbischofs Otto von Bamberg um 50 Jahre älter macht, nach Spuren habsburgischer Kunst fahndet oder sich Wiener Hofkunst um 1350 widmet, alle sechs Studien des Buches sind Plädoyers für eine historisch vernetzte Kunstgeschichte.
Annette Scherer
Suckale, Robert: Das mittelalterliche Bild als Zeitzeuge. Sechs Studien. 266 S., 110 Abb. 24 cm. 2001. EUR[D] 36,-



ISBN 3-931836-70-3
 
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