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Das Sakramentshaus im St. Marien-Dom zu Fürstenwalde

Eine gute Autostunde westlich von Berlin findet sich in Fürstenwalde ein wirkliches Meisterwerk der spätgotischen Steinmetzkunst: Das 12,5 Meter hohe Sakramentshaus im St. Marien-Dom. Wahrscheinlich im Jahre 1517 vollendet, ist es auch den Kennern der mittelalterlichen Kunst weitgehend unbekannt. Erst Hartmut Krohm erfasste seine überragende Bedeutung, zusammen mit seinem Schüler, dem jüngst tragisch verstorbenen Alexander Binder, legt er nun eine umfassende und reich ausgestattete Monographie zu dem Werk vor.
Für das zwischen 1989 und 1995 durch Klaus Krupinski behutsam restaurierte Sakramentshaus verwendete man
Stein vom Elbsandsteingebirge, und zwar aus Brüchen der Gegend bei Cotta. Sein Auftraggeber und wahrscheinlicher Stifter war Dietrich von Bülow, Bischof von Lebus (1490-1523); das Bistum hatte man nach Zerstörungen im 14. Jahrhundert 1385 nach Fürstenwalde verlegt. Das Epitaph Dietrichs, das den Bischof knieend vor Christus am Kreuz zeigt, gehört zu den weiteren wichtigen Ausstattungsstücken des Domes. Wie das Sakramentshaus trägt es eine Künstlersignatur, die bei der Restaurierung sensationell entdeckten Buchstaben "FHM". Nach den Überlegungen von Krohm und Binder kann man sie in den Namen "Franz Maidburg" auflösen, ein Künstler, dessen Werk man quer durch das ehemalige Römische Reich vom Rheinland bis nach Obersachsen, Böhmen und die Mark Brandenburg verfolgen kann. In Annaberg schuf er um 1520 zusammen mit seinen Gesellen die knapp 100 Reliefs, die die Emporen der Kirche schmücken. Und für den Kölner Dom entstand ein Sakramentshaus, dessen Reste die Domschatzkammer und das Schnütgen-Museum in Köln, vielleicht auch noch das Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen verwahren. Darüber hinaus weiß man beispielsweise noch, dass Maidburg 1524 nach Chemnitz ging, nachdem er sich von seiner der Trunksucht verfallenen Ehefrau getrennt hatte.
Das Buch bietet erste Ansätze zu einer Neubestimmung der Kunst des Franz Maidburg. Demnach hat er offenbar in der Werkstatt Tilman Riemenschneiders das Steinmetzhandwerk erlernt, sein künstlerischer Horizont umfasste aber auch die Kenntnis der Werke des Niklaus Gerhaert und von Hans Backoffen. An diese Überlegungen wird die weitere Beschäftigung mit dem Bildhauer anzuknüpfen haben. Überzeugend sind auch die eindringlichen Analysen der architektonischen Gestalt des Sakramentshauses und seines skulpturalen Bestands. Sie umfassen selbstverständlich auch die genaue Bestimmung der 21 erhaltenen Heiligenfiguren. Für die Steinmetzwunderwerke der Spätgotik fanden die Zeitgenossen nur rein rühmende Worte. Über das von Adam Kraft geschaffene Sakramentshaus in der Nürnberger Lorenzkirche schrieb der Humanist Eobanus Hessus 1532: "All das müssten die Menschen bewundern, und wär's nur aus Bronze. - Gießen ja ließe es sich leicht, modellieren und hin und her biegen - Ist darum nicht mehr zu bewundern, dass brechen sich lässet der Stein. Eben noch hart, dass es scheint, man könne mit Händen ihn biegen?"
Der Band ist mit zahlreichen Abbildungen ausgestattet, einige der schwarz-weiß-Aufnahmen wirken leider etwas flau. Besonders dankbar ist man für die Wiedergabe einer um 1797 entstandenen Federzeichnung von Friedrich Gilly: Sie zeigt das Sakramentshaus mit seiner Rahmung durch einen Spitzbogen im Chor der Kirche. Drei Personen studieren intensiv seine Architektur und Skulptur. Dies sei auch allen Lesern des KunstbuchAnzeigers empfohlen, am besten mit dem Buch als solider und inspirierender Grundlage.


Alexander Markschies
Krohm, Hartmut. Binder, Alexander. Das Sakramentshaus im St. Marien-Dom zu Fürstenwalde. 144 S., 70. z. T. fb. Abb., 24 cm, Gb., Findling, Neuenhagen 2003. EUR 20,50.
ISBN 3-933603-13-7
 
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