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Michelangelos Fresken in der sixtinischen Kapelle

Frank Zöllner, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, hat sich in der Reihe "Quellen zur Kunst" zu "Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle" geäußert, doch dieser allgemein gehaltene Titel verschleiert das eigentliche Thema Zöllners. In einem handlichen Band, mit magerem Abbildungsteil und ausführlicher Literaturliste ausgestattet, wird eine dokumentarische Bestandsaufnahme und wissenschaftliche Analyse der Überlieferungen vorgelegt, anhand deren er einen in der Kunstliteratur bis heute beliebten Topos umdeutet: den der angeblichen Rivalität zwischen Michelangelo und Raffael, die zur Ausmalung der Sixtina durch Michelangelo geführt haben soll.
Eingangs breitet der Autor dazu auf über fünfzig Seiten die schon vielfach publizierten Vitae der Autoren Ascanio Condivi (1553) und Giorgio Vasari (1550/1568) in italienischer Sprache und deutscher Übersetzung aus und fügt ihnen eine kurze Vita von Paolo Giovio (um 1527), einen Brief von Piero Rosselli an Michelangelo aus dem Jahr 1506 und einen von Michelangelo an Giovan Francesco Fattucci aus dem Jahr 1523 bei. Zwar ist es Zöllner gelungen, diese Quellen in eine leserlich zeitgemäße Übersetzung zu übertragen, jedoch wundert sich der fachkundige Leser über die knappe Fassung des folgenden Kommentars auf nicht einmal vierzig Seiten und seiner ausdrücklichen Benennung als Essay.
Darin widmet sich Zöllner der in den Vitae kolportierten Verschwörung, die Raffael mit seinem Verbündeten Bramante gegen Michelangelo angezettelt haben sollen und deutet die vorliegenden Dokumente kenntnisreich und komprimiert in einer verblüffend einfachen logischen Verknüpfung derselben um. Auch Michelangelos Rolle, der sein künstlerisches Selbst mit einem von ihm immer wieder verwendeten Leidensmotiv stilisiert und die seiner Biografen, wird dabei durchaus kritisch hinterfragt. Michelangelo selbst, der in seinen Briefen durchaus zum Lamentieren neigt, äußerte sich darin während der fraglichen Zeit vor und während der Freskierung der Sixtina, über diese angeblichen Machenschaften überhaupt nicht. Unter Hinzuziehung weiterer Aspekte, wie der Abwesenheit Raffaels zu dieser Zeit und der Zeugnisse Benvenuto Cellinis über eine freundschaftliche Beziehung zwischen Michelangelo und Bramante, denkt Zöllner über eine Förderung des jungen Michelangelo durch Bramante nach und kommt zu dem Schluss, dass schon Condivi und Vasari "unbedeutende Animositäten zu einer monströsen Intrige vergrößert haben".
Annegret Winter
Zöllner, Frank: Michelangelos Fresken in der sixtinischen Kapelle. Rom. Gesehen von Giorgio Vasari und Ascanio Condivi. 2001. 120 S. 10 Abb. 20 cm. Gb., Rombach, Freiburg 2001. EUR 15,30
ISBN 3-7930-9281-X
 
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