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Antoni Gaudí. Lyrik des Raums

Wer sich mit den Gestalt- und Formfindungsprozessen im architektonischen Schaffen des katalanischen Architekten Antoni Placid Gaudí (1854-1926) beschäftigt, wie etwa den steoreostatischen Seil- und Kettenmodellen für die Kirche der Colònia Güell in Santa Coloma de Cervelló oder für die riesige Kirche Sagrada Família in Barcelona, der wird den Titel der vorliegenden Publikation, die aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung in Bremen zur Gaudí-Rezeption in Deutschland erschien, als äußerst passend empfinden: Lyrik des Raums.
Tatsächlich wird der aufmerksame Beobachter in dem Werk dieses Architekten, der seine Inspiration aus subtiler Naturbeobachtung schöpfte, immer wieder auf den Aspekt des Lyrischen, das dabei immer auch zugleich musikalisch anmutet, stoßen. Auf das Zusammenspiel plastisch-bewegter Formen mit dem sie umgebenden Raum, auf ein Raumverständnis, das in der Gestaltung bewegter Formen Qualitäten spürbar werden lässt, die dem Schöpferischen der Natur – und jene verstand Gaudí als göttliches Werk – nachempfunden zu sein scheint. Dieses Qualitätsmoment wird in dem Ausstellungskatalog, der in der Presse zu Recht auf positive Resonanz stieß, über exzellente Abbildungen anschaulich. Die Formen der Messingtürgriffe aus der Casa Milà oder die Möbel aus der Casa Calvet – immer schwingt in Gaudís Arbeiten die Beziehung des Menschen zur Natur wie latent mit.
Mit der Gaudí-Rezeption im engeren Sinne befassen sich zwei der insgesamt sieben wissenschaftlichen Aufsätze. Dass der Architekt schon 1908 ein Wolkenkratzerprojekt für Manhattan von 360 Metern Höhe plante, ist dem Aufsatz „Gaudís ungebautes Werk“ von Joan Bassengoda i Nonell zu entnehmen (S. 44-55). Betrachtet man den Schornsteinkopf der Casa Milà (S. 70), der das Aufsteigen des Rauches in seiner äußeren Gestalt wie anzudeuten scheint (es macht in diesem Kontext Sinn, den Schornstein von Rudolf Steiners 1914 in Dornach entstandenem Heinzhaus, der diesen Aspekt noch präziser zeigt, vergleichend heranzuziehen), so erscheint es mehr als angemessen, wie durch Daniel Giralt-Miracle geleistet, Gaudís Schaffen unter dem Aspekt des Gesamtkunstwerkes zu würdigen (S. 56-71). Matin Speths und Hartmut Ayrles Überlegungen zu „Gaudí und das katalanische Gewölbe“ (S. 72-79) überzeugen auch deshalb, weil Gaudís Leistungen im Kontext historischer Entwicklungen des modernen Leichtbaus bis hin zu Frei Otto oder Eero Saarinen reflektiert werden. Bemerkenswert sind auch die Gedanken von Reinhard Bartolles über „Antoni Gaudí, der Wissenschaftler“, da sie deutlich zeigen, dass Gaudís Werke nicht nur isoliert, sondern zugleich im städtebaulichen Kontext gesehen werden müssen. Letteres ein vielleicht bisher eher weniger bekannter Aspekt.
Schließlich werden sieben Architekturen des faszinierenden Baumeisters je einzeln präsentiert. Danach folgen im rezeptionsgeschichtlichen Teil des Bandes Schriftzeugnisse von Persönlichkeiten, die dem spanischen Architekten begeneten oder sich speziell mit dessen Werk beschäftigten (Julius Meier-Greve, Peter Lindner und Hermann Finsterlin). Ergänzend hätte hier auch hingewiesen werden können auf den Erdarchitekten Engelbert Kremser, dessen Schaffen ebenfalls wie von Gaudí inspiriert erscheint und erst jüngst im Jahre 2001 unter dem Titel „Beton streicheln“ filmisch gewürdigt wurde.
Ein schönes Buch, das aufgrund der komprimierten Darstellung sowohl für Laien als auch Spezialisten gleichermaßen interessant sein dürfte und das eine Beschäftigung mit Werk des großen Architekten zu befördern wirklich in der Lage ist.
Matthias Mochner
Antoni Gaudí. Lyrik des Raums. Hrsg. v. Schreiber, Daniel /Stamm, Rainer. 176 S., 96 sw. u. 173 fb. Abb., 28 x 21 cm. Gb., Wienand, Köln 2004. Gb EUR 39,80
ISBN 3-87909-846-8
 
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