KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Epochen] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurück]

Die Unterkirche der Cappella Palatina in Palermo

Sie zählt zu den aufsehenerregendsten und schönsten Architekturdenkmälern nicht nur auf Sizilien, sondern der Welt: Die am 28. April 1140 geweihte Cappella Palatina der drei normannischen Herrscher und Bauherrn Roger II., Wilhelm I. und Wilhelm II. in Palermo. Schon die Zeitgenossen nahmen wahr, dass hier ein Bauwerk geschaffen worden war, das vor allem über seine innenräumliche Gestaltung tief die Menschen berühren konnte. Der Kirchenboden gleiche, so Bischof Theophanes anlässlich der Weihe der Cappella Palatina in seiner Predigt, einer Frühlingswiese - „mit bunten Marmorsteinchen ist er wie Blumen geziert, nur dass die Blumen welken und vergehen, diese Wiese aber unverwelklich und ewig ist und sich immerdar unvergänglicher Blüten bewahrt“. Und für Guy de Maupassant war sie „das Schönste, was sich der menschliche Geist je erträumt und in Wirklichkeit umgesetzt hat, das Juwel aller Kirchen“. Auch heute noch bietet vor allem die Innenarchitektur dieser privaten Palastkapelle der sizilianischen Eroberer durch die einzigartige Verbindung normannischer, byzantinischer und arabischer Bautraditionen – Holzdecke, marmorne Wandverkleidung, Mosaiken und Cosmatenarbeiten – touristischen Besuchern aus aller Welt ein unvergessliches Erlebnis. Gleichwohl birgt die Cappella Palatina mit der kaum bekannten, weil öffentlich zu Recht nicht zugänglichen Unterkirche ein echtes Geheimnis, das bis heute nicht annähernd gelöst ist, mit der vorliegenden kleinen Publikation freilich ein Stück weit aufgeklärt wird. Tatsächlich wird die Unterkirche der Cappella Palatina nicht einmal in Brigit Carnabucis Werk über Sizilien (Sizilien. Insel zwischen Orient und Okzident. Köln 1992), einem Klassiker der Kunstreiseführer, erwähnt, was damit zusammenhängen mag, dass erst seit 1991 maßsstabsgetreue Pläne für dieselbe vorliegen. Die hier anzuzeigende handliche Veröffentlichung – man wünschte sich ein solch exquisites Bändchen als Führer auch für die berühmte Oberkirche – ist das Ergebnis eines von der Technischen Universität Berlin seit Juli 2004 in Kooperation mit der Würth-Gruppe, dem italienischen Kultusministerium und dem sizilianischen Regionalparlament durchgeführten Forschungsprojektes in der Cappelle Palatina, das noch andauert und im Zuge dessen die gesamte Innenarchitektur der Palastkapelle einer Restaurierung unterzogen wird. Dabei konnten wesentliche neue Erkenntnisse gewonnen werden, die – versehen mit vielen, noch offenen Fragen zur vielschichtigen Baugeschichte des gesamten Areals, auf dem sich die Cappella Palatina erhebt – nun der Öffentlichkeit zugänglich sind. Wer einmal als Besucher in der Cappella Palatina stand, ohne die Kenntnis von der sich unter ihr befindlichen dreischiffigen Hallenkrypta und Grabkammer (unter dem Hauptschiff zwischen Chor und Königsthron im Westen), der vermag die Bedeutung der von Thomas Dittelbach und Dorothée Sack dokumentierten Forschungen abzuschätzen: Ohne die Unterkirche muss eine Interpretation der Cappella Palatina höchst unvollständig bleiben. Durch das von Dorothée Sack geleitete Forschungsprojekt wurde zum Beispiel deutlich, dass der Normannenpalast mit der Cappella Palatina nicht, wie von der Forschung immer wieder behauptet, direkt auf dem Felsuntergrund, sondern auf einer acht Meter hohen Schuttschicht älterer Bauten (S. 14) steht. Interessant auch die Entdeckung einer „Grundzelle eines arabischen Muqarnasgewölbes“ an einer spitzwinklig zulaufenden Mauerkante in einem der labyrinthartig um die Unterkirche herum verlaufenden Korridore im Südosten (S. 38). Alle Überlegungen des Autors und der Autorin, die durch einen kurzen Bericht zur Restaurierung der Oberkirche von Guido Meli ergänzt werden, lassen sich anhand des präzisen Abbildungs- und Kartenmaterials immer gut nachvollziehen. Ein Buch, das nicht nur für Studienreiseleiter und Architekturinteressierte interessant, ja unerlässlich sein dürfte, sondern aufgrund der Dreisprachigkeit etliche Leser und Leserinnen finden wird.

Matthias Mochner
Thomas Dittelbach, Dorothée Sack: Die Capella Palatina in Palermo. Dt. /Engl. /Ital. Hrsg.: Weber, C Sylvia. 64 S., zahlr. fb. Abb. 24 x 17 cm. Ebr. Swiridoff, Künzelsau, 2005. EUR 10,-
ISBN 3-89929-058-5
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]