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Glücklich gewählte Natur

Im Jahr 1801 nennt ihn Philipp Otto Runge in einem Brief nach Kopenhagen „einen unserer größten jetzt lebenden Landschaftsmaler“, aber bereits 1822 war er aus der Mode. Und so berichtet ein Besucher, der dem bettlägrigen Maler eine Landschaft des Romantikers Johann Martin von Rohden pflanzlich im Detail schilderte: „Ein solches Eingehen in die charakteristische Pflanzenwelt war ihm ein Greuel, da sein 'Baumschlag' für den ganzen Linné ausreichen mußte.“ Was heißen soll: Die Botanik in ihrer ganzen Vielfalt war für einen Maler „idealer“ Landschaften eher sekundär, wenn nicht sogar dem arkadischen Gesamteindruck abträglich. Die Rede ist von Johann Christian Klengel (1751 – 1824), Dresdener Akademieprofessor und Landschafter der Generation vor Caspar David Friedrich und Christian Clausen Dahl. Anke Fröhlich hat ein akribisches Werkverzeichnis dieses seiner Zeit berühmtesten sächsischen Tier- und Landschaftsmalers erarbeitet, das auf umfangreichen Vorstudien des Leipziger Kunsthistorikers Heino Maedebach (1913 – 1983) basiert. Sie verzeichnet nicht weniger als 194 Gemälde, 950 Zeichnungen und 450 Radierungen. Damit rückt sie einen Maler und Graphiker ins rechte Licht, der zwischen den Stilen steht, Heroisches und Arkadisches umzusetzen bestrebt war, aber eigentlich in der Idylle die ihm gemäßeste Form gefunden hat, jenen Landschaftstypus, der ihm entsprach. Wichtig war Klengel zweifellos als Lehrerpersönlichkeit (24 seiner Schüler wurden namhafte Künstler), fiel einer baldigen und in gewisser Weise modisch werdenden Abschätzigkeit aber recht früh zum Opfer: So spricht C.D. Friedrichs Freund, der königlich sächsische Leibarzt Carl Gustav Carus, der Erfinder der „Erdlebenbildkunst“ und Vordenker naturwissenschaftlich fundierter Landschaftsmalerei, die er selber auch zu praktizieren trachtete, an einer Stelle seiner „Denkwürdigkeiten“ von Klengelschen „Bildgespenstern“, was für den Geognosten, Wolken- und Strömungs-Analytiker Carus höchst verständlich erscheint, in der Langlebigkeit des Verdiktes aber erstaunt. Klengel sah sein Metier eben nicht aus der Sicht des gestaltenden Naturwissenschaftlers und Psychologen, er sah es viel eher unter den Vorzeichen des philologisch und an der Antike geschulten Künstlers klassizistischer Provenienz, als den er sich selber definiert hat. Der 69jährige schrieb: „Es ist alles schon da gewesen, und die Alten haben es in ein System gebracht, das wir kein besseres finden können. (…) Selbst wenn man die Natur als Porträt betrachten und nachahmen muß, wird man wissen (wenn man erst bei den classischen Autoren in die Schule gegangen ist), Geist und Geschmack darüber zu verbreiten, ohne die Ähnlichkeit zu verlieren.“ Diese Ähnlichkeit war es, die Klengel, wohltemperiert und gelegentlich auch mit kalkulierter Dramatik versetzt, als sein Feld betrachtete. Mitunter gelingen ihm freilich auch Bilder als Momentaufnahmen, die durch das Frische und Unkonstruierte der Situation besonders ansprechen: So, wenn er 1789 jenen Salomon Landoldt, Vogt von Greifensee, mit Diener, Hund und Pferd vor eine weite Landschaft stellt, die an Kobells Reiterbilder aus dem Münchener Umland gemahnt. Daß der Dargestellte durch Gottfried Kellers Novelle „Der Landvogt von Greifensee“ zu einer Figur der Literaturgeschichte werden sollte, konnte Klengel freilich noch nicht ahnen.
Oft sind es gerade die Zeichnungen und Skizzen Klengels, die einen so selten wahrzunehmenden Ton echter und ehrlicher Beobachtung von Alltagssituationen zum Klingen bringen. Hier ist das Genre keineswegs „tümelnd“, und gerade in seinen Familien-, Atelier- und Figurenstudien erreicht er einen Grad an Intensität, der diesen Konfigurationen dauerhaft Leben und unser Interesse verleiht. Das läßt sich denn auch an den Provenienzen dieser Blätter ablesen, dem anhaltenden Sammlerinteresse. So gehörte ein Scherenschleifer am Haustor dem Verleger Reinhard Piper, eine geruhsam lagernde Rinder- und Ziegengruppe aber dem Präsidenten Brasiliens. Kulturgeschichte, die weit über Sachsen hinausgreift, wird in der Wertschätzung Klengels spürbar, der nun im Begriff ist, für die Kunstwissenschaft zu einer festen Größe zu werden. Das Buch umfaßt eine Monographie Klengels, ca. 40 Seiten Farbabbildungen, ein Werkverzeichnis, das jede Arbeit abbildet, Klengels überlieferte Briefe und Anhänge, sowie ein Verzeichnis seiner Schüler und eine Konkordanz der beiden vorhandenen Verzeichnisse der Druckgraphik.

Jörg Deuter
Fröhlich, Anke: "Glücklich gewählte Natur.." Der Dresdner Landschaftsmaler Johann Christian Klengel (1751-1824). Monographie und Werkverzeichnis der Gemälde, Zeichnungen, Radierungen und Lithographien. XII, 472 S., 1571 sw. u. 73 fb. Abb., (Stud. z. Kunstgesch. 161) Ln. Olms, G., Hildesheim 2005. EUR 78,-
ISBN 3-487-12770-9
 
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