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Das Alte Ägypten

Will man 4000 Jahre Ägypten, seine Geschichte und Kultur von den Merimde- und Negade-Funden (ca. 4000 v. Chr.) bis zum Tod Kleopatras VII. (30 v. Chr.) und dem damit verbundenen Verlust ägyptischer Eigenständigkeit auf 370 Seiten darstellen, fordert dies vom Autor vor allem, sich ans Wesentliche zu halten. So knapp wie möglich, so anschaulich wie nötig ist daher Hermann Alexander Schlögls Publikation über die ägyptische Hochkultur gehalten, die der Schweizer Emeritus der Ägyptologie bei Beck vorlegt. Entspräche sie lediglich dem neuesten Forschungsstand, wäre das Buch noch nichts Besonderes. Schlögl aber erzählt Geschichte wie ein Chronist. Während er Reiche, Dynastien, Pharaonen und nicht zuletzt deren berühmt gewordene Ausgräber und Entdecker am Leser vorüberdefilieren lässt, berichtet der Autor von einer neuartigen Wasseruhr, die der Astronom Amenemhat unter Amenophis I. erfand, von den Mysterienspielen zu Abydos, die seit der 11. Dynastie für Osiris gefeiert wurden, von der Geschichtsschreibung des Manetho, die der Priester und Gelehrte für König Ptolemäus II. Philadelphos um 280 v. Chr. verfasste, und von der ägyptischen Hieroglyphenschrift, die sich zwischen 3150 und 3000 v. Chr. entwickelte und die eine der schönsten Schriften überhaupt ist. Gerade der Schrift und dem Schreiben ist Schlögl als Kenner der altägyptischen Literatur und versierter Übersetzer aus dem Altägyptischen besonders verpflichtet. Dass er den Leser durch eine große Anzahl von Textbeispielen aus allen denkbaren literarischen Gattungen von seinem Spezialgebiet profitieren lässt, verhilft zu einem lebensnahen Einblick in ägyptisches Denken und Fühlen. Zu nennen wäre da zum Beispiel der Nilhymnus des Dichters Cheti, der den Ernährer des Landes preist, sowie ein Erziehungsratgeber aus der 12. Dynastie (Papyrus Insinger), der in dem Seufzer gipfelt: „Kein Unterricht hat Erfolg, wenn Widerwille vorhanden ist“, und damit auch heutigen Pädagogen aus der Seele sprechen dürfte.

Obwohl die Kunst Ägyptens - Rundplastik, Relief, Malerei - nicht das Hauptthema des Buches sein kann, wird während der Lektüre immer wieder deutlich, welche Funktion sie im Rahmen der pharaonisch geprägten Kultur zu erfüllen hatte - Rückschlüsse auf andere antike Hochkulturen sind dabei durchaus erlaubt. Die herrlichen, farbintensiven Grabmalereien, die sowohl Opfer und Götterverehrung als auch Naturstudie und Arbeitsalltag thematisieren, waren nie für eine gebildete und/oder touristische Öffentlichkeit bestimmt, sondern nur für den Grabeigner selbst; monumentale, lebensgroße und unterlebensgroße Rundplastik gehören zum Umfeld königlicher Selbstdarstellung, politisch-religiöser Propaganda, der Ehrenbezeugung für einen verdienten Beamten oder der Grabausstattung; Tief- und Flachreliefs an Tempeln und herrschaftlichen Gebäuden dokumentieren Präsenz und Macht von Göttern und Pharaonen. Kunst in unserem Sinne ist dies wahrlich nicht. Die ägyptische Kunst weist stets weit über sich selbst hinaus und bildet in ihrer hochintellektualisierten Auffassung vom menschlichen Körper, von Landschaften und Gebäuden eine Realität ab, die mit konkreter, fassbarer Realität nichts zu tun hat.

Im über 100 Seiten starken Anhang von Schlögls lesenswerter Chronik finden sich umfangreiche Literaturhinweise, verschiedene Register sowie Karten. Am besten und brauchbarsten ist die chronologische Übersicht, die neben der Aufteilung in Reiche, Zwischenzeiten, Dynastien - ganz nach dem Vorbild des alten Manetho - zu den jeweiligen Herrschernamen auch die wichtigsten Bauten, Statuen, Funde, politischen Entwicklungen und kulturellen Ereignisse zur Verfügung stellt.

Daniela Maria Ziegler
Schlögl, Hermann A: Das Alte Ägypten. Geschichte und Kultur von der Frühzeit bis zu Kleopatra. 2006. 576 S., 100 Abb. Gb EUR 34,90
ISBN 3-406-54988-8   [C. H. Beck]
 
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