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Die Sixtinische Kapelle neu entdeckt

Mag der Name der Sixtinischen Kapelle auch häufig in einem Atemzug mit dem Michelangelos genannt werden, die Sixtina ist nicht vorrangig eine museale Sammlung großartiger Fresken einiger der bedeutendsten Renaissancekünstler Italiens, sondern ein Gotteshaus zur Verkündung der Botschaft der Bibel, auch durch die Aussagekraft der Bilder, denen ein theologisches Programm zugrunde liegt. Die Auswahl der Bildthemen war nicht den Malern überlassen, sondern die sie beratenden und belehrenden Theologen, die "Gleichen, die auch an den feierlichen Messen der Päpste teilnahmen" arbeiteten die Bildprogramme aus. Die Maler ihrerseits, selbst der "gewaltige Toskaner" Michelangelo, fühlten sich den mittelalterlichen Theologien verpflichtet. Es ging ihnen nicht darum, die Leistungen ihrer päpstlichen Auftraggeber zu verherrlichen. Im Gegenteil: mit Kritischem Blick hielten sie diesen auch "Gewissensspiegel" vor, wie Details in den Fresken verraten, die allerdings "geschickt von allegorisierender Theorie umrahmt" für den einfachen Betrachter kaum erkennbar waren.
Der Kunsthistoriker und Theologe Heinrich W. Pfeiffer, Professor für Kirchengeschichte in Rom, u.a. ehemaliges Mitglied päpstlicher Kunstkommissionen, Spezialist für christliche Ikonografie und die «-Kunst unter den Renaissancepäpsten, hat in jahrzehntelangem. Studium die Sixtinische Kapelle als „Gesamtprogramm“, unter kunsthistorischem und theologischem.Aspekt erforscht. Unter Sichtung und Deutung der theologischen Schriften der Kirchenväter und des Mittelalters betrachtet Pfeiffer die Fresken der Kapelle bis in die Einzelheiten wie prallgefüllte Seiten eines textlosen Bilderbuches. Vertraut mit der allegorisierenden Bibelexegese der Franziskaner -"Papst Sixtus IV. war ein Meister dieser Methode"- und den zeitgenössischen Schriften, die den ikonografischen Programmentwürfen zugrunde liegen, interpretiert er die Bilder bis in ihre Details und erläutert sie in ihrer formalen, inhaltlichen und theologischen Bedeutung. Nach den unter Sixtus IV, von 1481 bis 1485 an den Längsseiten der Kapelle von Perugino, Botticelli, Ghirlandaio, Roselli und Signorelli mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament geschaffenen Fresken untersucht er die Malereien Michelangelos, die von 1508 bis 1512 im Auftrag von Papst Julius II. entstandenen Deckengemälde mit ihren Eck- und Dreieckzwickeln und den Lünetten und das 1541 vollendete Fresko "Das Jüngste Gericht" an der Altarwand. Durch gründliche Vergleiche der Fresken Michelangelos und der seiner Vorgänger mit- und untereinander und mit "den sie ursprünglich inspirierenden literarischen Quellen" kommt der Verfasser, auf der "Suche nach den Beziehungen aller Gemälde zueinander", zu dem Ergebnis, "dass der gesamte Bilderzyklus der Kapelle einem einzigen ikonografischen Programm entspringt, das in seinen Grundzügen bereits die Theologen Sixtus' IV. entworfen hatten,"
Damit hofft Pfeiffer, "einerseits das Interesse der Theologen für den spirituellen Gehalt der sixtinischen Fresken (zu) wecken, andererseits die Kunsthistoriker zu einer mehr verfeinerten und integrierten Betrachtungsweise an(zu)regen.“
Aber vor allem auch der interessierte Laie kann die Fresken der Sixtina "mit neuen Augen bewundern" dank der fast 200 hervorragenden Farbtafeln, insbesondere der faszinierenden Ausschnitt- und Nahaufnahmen, die einen Blick auf maltechnische und inhaltliche Details ermöglichen, den der Besucher der Kapelle nicht hat. - Ein prachtvolles, aufwändig gestaltetes, großformatiges Kunstbuch und eine hochinteressante, informationsreiche Bibelkunde.
Christa Chatrath
Pfeiffer, Heinrich: Die Sixtinische Kapelle neu entdeckt. 352 S., 320 fb. Abb. 32 x 24 cm. Gb Belser Verlag, Stuttgart 2007. EUR 88,00
ISBN 978-3-7630-2488-9
 
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