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Karl Blossfeldts Arbeitscollagen

Im Pantheon der Fotografie gehören die kühl stilisierten Pflanzenaufnahmen Karl Blossfeldt längst zu den altvertrauten Klassikern: Bilder, die wir in unserem Bildgedächtnis abgespeichert haben, vielleicht sogar bereits abgelegt. Während Blossfeldt Stilisierung des Ornamentwerts von Schachtelhalm und Farnwedel, Mannstreu und Weberkarde zu einer Ästhetisierung des fotografischen Objekts beitrug, raubte dies der Pflanze zugleich ihre Geheimnisse als Lebewesen und die Dimension ihrer vitalen Mehrdeutigkeit.

Während Blossfeldts Bedeutung als Fotograf bislang ganz auf seine ästhetizistisch durchkomponierten Pflanzenikonen gründete, zeigt ihn die nun vorliegende Publikation seiner fotografischen scrapbooks erstmals auch als Suchenden, Tastenden; sie erlauben es, dem Künstler nunmehr über die Schulter zu schauen, beim Ordnen des fotografischen Ausgangsmaterials, aus dem er das - uns bereits bekannte - Destillat gewonnen hat.
Was wir aus den zuerst 1928 und dann in vielen weiteren Auflagen erschienenen "Urformen der Kunst" als monumentalisierte Belege für den Zusammenhang von Kunst- und Naturformen kennen, ist hier als visuelles Notat zu entdecken.
In diesen Arbeitscollagen offenbart sich Blossfeldt als Sammler, der den "Wundergarten der Natur" mit seiner Kamera durchstreift - auf der Suche nach der reinen Form, die er in seinem fotografischen Herbarium systematisiert.
Wem die formale Strenge der "Urformen" allzu kühl oder gar zu vertraut erschienen, vermag den Künstler und Formsucher in den prächtigen und doch unprätentiösen Arbeitscollagen als Poeten neu zu entdecken. In den - quasi intimen - visuellen Studienblättern offenbart sich eine Sinnlichkeit, die der nachfolgenden Klärung der Form zum Opfer gefallen ist.
Und nicht nur der essayistische Charakter der Aufnahmen macht diese zu einer sensationellen Entdeckung, sondern auch die Form ihrer seriellen Reihung, die die Arbeitsweise von Bernd und Hilla Becher und - wie die Autorin Ulrike Meyer Stump offenbart - Gerhard Richter antizipiert. Die unerwartete, verhaltene Farbigkeit der blauen Cyanotypien und warmtonig umbrafarbenen Silbergelatine-Abzüge läßt den Aufnahmen eine zusätzliche Magie zukommen, der der Künstler bislang gänzlich unverdächtig war. Blossfeldts Arbeitscollagen - mehr noch als seine "Urformen" - zeigen "geprägte Form, die lebend sich entwickelt".
Rainer Stamm
Karl Blossfeldt: Arbeitscollagen. Hg. von Ann und Jürgen Wilde. Mit einem Text von Ulrike Meyer Stump. 156 S., 61 Farbtafeln, 10 Abb., HC; 2000. EUR 19,80
ISBN 3-88814-786-7
 
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