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Konfuzius in Oranienbaum

Chinesische Weisheit fĂĽr deutsche Herrscher

Wilhelm II., der letzte deutsche Kaiser, der sich gern als Kunstliebhaber ausgab, fertigte Anfang der 1890er Jahre eine Zeichnung zur sogenannten “Gelben Gefahr” an. Auf ihr basierend schuf Hermann Knackfuss 1895 das Gemälde “Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter!” Zu sehen ist eine Buddhafigur auf flammenden Wolken rechts/im Osten und die Nationen Europas in Rüstung links/im Westen. Dazwischen der Erzengel Michael mit Schwert. Der Kaiser soll das Gemälde dem russischen Zaren geschenkt haben, mit der Mahnung, wachsam zu sein gegenüber den Chinesen und Japanern.

Dabei gab es das Chinesische - Chinoiserien - schon längst in den Herrscherhäusern Europas. Porzellan, Lackarbeiten, Rollbilder, Möbel und Stoffe. Auch Blumen wie die Päonie und Bäume wie die Apfelsine in den Gärten des Westens.

Die habilitierte Sinologin Dorothee Schaab-Hanke analysiert in ihrem Buch “Konfuzius in Oranienbaum” Bilddarstellungen des chinesischen Weisen in einem deutschen Fürstenschloss und geht dabei einen wichtigen Schritt weiter. Was zunächst nur als gewohnte Chinoiserie erscheint, lässt sich direkt bis nach China, bis zum chinesischen Ursprung verfolgen. Und der chinesische Weisheitslehrer und Heilige wurde offenbar ganz bewusst von einem deutschen Herrscher - Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) - gewählt und gar als Vorbild betrachtet.

Mit großer Akribie und einschlägiger Kenntnis der chinesischen Sprache und Kultur geht die Autorin den Spuren der Gemälde über Paris bis nach Peking nach. “Historischer Abriss der wichtigsten Züge aus dem Leben des Konfuzius, des berühmten chinesischen Philosophen, geschmückt mit 24 Drucken im Format 4_0, graviert von Helman, nach Originalzeichnungen aus China, geschickt von P. Amiot, Missionar in Peking, und entnommen aus dem Kabinett von M. Bertin, des alten Staatsministers, Paris 1788” - so die Übersetzung der Autorin der französischen Vorlage zu den Bildern in Oranienbaum.

Vom chinesischen Vorbild her beeindruckt mich besonders die Darstellung des Herrschers - “Imperator arans” - beim Pflügen des Ackers. Eine Hommage des Herrschers an die Natur, die sein Volk ernährt, an die Erde, den Boden, den Bauern. Demut und feierliche Handlung Regierender, die man sich durchaus heute wünschen würde, wiedergegeben in allen Medien, zu Beginn des Landbaujahres. Das alte deutsche Volkslied kommt in den Sinn: “Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt…”. Physiokratische Ideen - die Landwirtschaft als Quelle nationalen Reichtums - gehörten zur Aufklärung, nahmen den chinesischen Staatsbau zum Vorbild.

Im zweiten Teil der Ausgabe werden die Gemälde in Oranienbaum in Panoramaaufnahme sowie ein Lageplan gezeigt. Dann in sehr guter Qualität die chinesischen Vorlagen und schließlich die Kupferstiche bei Isodore-Stanislas Helman. Mit ausführlichen und fesselnden Erklärungen, auch für den Laien. Das Buch lädt zum eingehenden Betrachten der Gemälde und zur Vorbereitung einer Reise zu den Originalen im Oranienbaumer Schloss und Chinesischen Haus ein.

03.05.2022
Susanne Concha Emmrich
Konfuzius in Oranienbaum. Chinoise Darstellungen zum Leben des Meisters und ihr kulturhistorischer Hintergrund. Schaab-Hanke, Dorothee. Ostasien Verlag, GroĂźheirath 2020. 104 S., 100 Abb. 24x17 cm. EUR 29,80
ISBN 978-3-946114-67-3
 
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