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Stadt. Volk. Park – Volkspark als Bühne städtischer Selbstinszenierung

Der erste in Berlin noch „Volksgarten“ genannte Friedrichshain wurde Mitte des 19. Jahrhunderts eingerichtet, erst 1907 entstand der Schillerpark mit der Bezeichnung „Volkspark“ als der erste innerstädtische Freiraum, in dem sich das „das Volk“ tummeln durfte, d.h. lagern, spielen und tanzen. Camillo Sitte nannte es das „sanitäre“ Grün, quasi als Frischluftschneise für die beengt wohnenden Städter im Gegensatz zum „dekorativen“ Grün, das lediglich die Stadtlandschaft etwas aufhübschen sollte.

Während der Nazidiktatur diente das „sanitäre“ Grün in den Volksparkanlagen propagandistischen Zwecken bzw. paramilitärischen Inszenierungen zur Vorbereitung auf den Krieg. Im Berliner Tiergarten wurde die Charlottenburger Chaussee von 27 auf 53 Meter erweitert. Heute dient diese Straße durch den Park häufig als riesige Arena für Public Viewing, für Auftritte prominenter Politiker oder als Amüsiermeile großer Festveranstaltungen.
Nach 1948 teilt man die Stadt, und die Stadtplaner der DDR rüsteten 1972 den Volkspark Friedrichshain mit einem Denkmal der polnisch-deutschen Kampfbereitschaft im Zweiten Weltkrieg auf. Allerdings ließ man die Statue König Friedrichs II. auch stehen. Im Westen begegnete man der „Unwirtlichkeit“ Berlins mit Objekten aus ökologischer Perspektive. Der Park „Lichterfelde Süd“, auf einem ehemaligen Übungsgelände der US-Army ist in seiner einstigen, inzwischen überwachsenen Anlage erhalten geblieben, die hin und wieder mit hölzernen Wegen überbaut wurden.
Ein Teil dieses Parks wird mit neuen Wohnungen der Berliner Groth-Gruppe bebaut, die dieses Buch „Stadt. Volk. Park“ unterstützt hat. Man wird bei Durchsicht des Buches ohnehin den Eindruck nicht los, dass diese „großzügige Unterstützung“ auch Werbezwecken der Groth-Gruppe dient.
Der Westberliner ‚Görlitzer Park‘, einst friedlichem, geselligen und naturnahen Beisammensein gewidmet, ist inzwischen zum Umschlagplatz illegaler Drogen geworden und Spielwiese bzw. Treffpunkt zwielichtiger Gestalten. Auf welche Weise man gartengestalterisch diesem Milieu etwas entgegensetzen könnte, bleibt leider offen.
Auch die Zukunft des „neuen“ Parks Tempelhof ist offen. Hier nimmt sich in der Tat den riesigen, zu großen Teilen asphaltierten Raum „das Volk“. Hier wird gelagert, gefahren, gespielt, getanzt und gesungen. Möge es so bleiben, wenn es denn dem Volk gefällt.
Neun Parkanlagen inmitten Berlins werden in diesem Buch, abgesehen von einer ausführlicheren Einleitung mit Kurztexten und großen farbigen Abbildungen, mit viel „Volk“ dargestellt. Das Layout ist großzügig, auf ein Literaturverzeichnis wird verzichtet, und die Bildlegenden sind in sehr hellem Grau kaum lesbar.
Offen bleibt, welche „kleinen“ Volksparke sich in Form von ‚Guerilla Gardening‘ oder welche Gemeinschaftsgärten, wie das Berliner „Himmelbeet“ sich in jüngster Zeit entwickelt haben. Auch hier ist es das Ziel, „das Volk“ aus einem sozialen Brennpunkt, in diesem Fall Menschen des Berliner Stadtteils Wedding, zusammenzubringen.

Der Volkspark als Bühne städtischer Selbstinszenierung wird mit Sicherheit weiterhin für städtisches Leben und Planen von Gewicht sein, jedoch sollte auch privaten Initiativen genügend Luft und Raum gewidmet werden.

29.08.2018
Gabriele Klempert
Stadt. Volk. Park. Volkspark als Bühne städtischer Selbstinszenierung. Stimmann, Hans. Foto(s) von Ouwerkerk, Erik-Jan; Mitwirkung (sonst.) Nöfer, Tobias. 180 S. 155 fb. Abb. Und Pläne. 28 x 24 cm. Wasmuth Verlag, Tübingen 2017. EUR 35,00.
ISBN 978-3-8030-0823-7
 
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