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Ludwig Persius Architekt des Königs |
Der "Romantiker auf dem Thron" Friedrich Wilhelm IV. hat Schinkel beschäftigt und seine bedeutendsten Schüler, darunter Friedrich August Stüler. Der ihm wesengemäßeste Architekt aber ist in unserer Vorstellung heute Ludwig Persius. Und sinnfälligster Ort dieses Zusammenwirkens des Königs und seines Baumeisters wurde Potsdam. Als unter Persius 1842 die große Fontäne im Park von Sanssouci erstmals in die Höhe stieg, war so etwas wie ein königlicher Traum in Erfüllung gegangen: Friedrich Wilhelm (der seinem Vater erst wenige Jahre zuvor die Anschaffung der ersten Dampfmaschine abgerungen hatte) konnte eine Lieblingsidee des großen Friedrich, die dieser nur erträumt hatte, erstmals Wirklichkeit werden lassen, – dank der aufstrebenden Firma Borsig. Die mußte übrigens 340 Taler Konventionalstrafe zahlen, weil der Jahrhunderttraum 8 Tage zu spät Wirklichkeit geworden war, nicht termingerecht zum königlichen Geburtstag. (So geschildert im Aufsatz von Sabine Boh1e-Hentzenberg) Ein königlicher Auftraggeber, der sich als Architekt verstand und die visionäre Utopie eines neuen Arkadien mit derart absolutistischen Allüren verknüpfte, mußte "seinen Baumeister" vor fast unlösbare Aufgaben stellen, gestalterischer, aber auch psychologischer Natur. Beide Qualitäten hat Ludwig Persius (1803 – 1845) in sich vereint. Der Meisterschüler Schinkels, dessen Herkunft und Ausbildung Andreas Kitschke detailliert nachvol1zieht, hat dessen Gärtnerhaus und römische Bäder in Sanssouci ausgeführt, die Potsdamer Nicolaikirche mit einer von Schinkel nicht vorgesehenen Kuppel bekrönt, er hat die Kroll-Oper (beim späteren Reichstag) und das Bethanien in Kreuzberg entworfen. Vor allem aber hat er die Potsdamer Garten- und Kulturlandschaft mitgeschaffen, kongenialer Partner Lennes und Schöpfer jenes preußischen Italianismus, der Schinkels Forinenwelt – bei unverkennbar eigener Handschrift – weiterführte. "Man wird immer die Bauten von Persius als Werke der Schinkel-Schule erkennen, sie aber nicht für Bauten Schinkels halten. Von Schinkel übernommen ist die klare geometrische Form der Baukörper und eine zarte, nicht plastisch heraustretende Gliederung. Was aber im Rahmen dieser zurückhaltenden Formensprache nun die Qualität der Bauten ausmacht, eine der Musik analoge Harmonie, ist bei beiden "verschieden," (S. 17) wie Eva Börsch-Supan im Aufsatz- und Katalogband der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg schreibt. Persius, dessen schöpferische Bauideen noch der deutschen Romantik angehören, baut seine kubisch addierenden, oft mit einem Campanile versehenen Landhäuser in der märkischen Landschaft bezeichnenderweise für späte Romantiker: das Sommerhaus Tiecks, die Villa Lennes in Tiergarten, das Gärtnerhaus der legendären Hofgärtnerdynastie SeIlo unterhalb der Potsdamer Orangerie, Häuser für Kammerchinesen, Hofmarschälle und sich selbst (Wolfgang Brönner läßt die Potsdamer Villenlandschaft Revue passieren, Klaus Kürvers untersucht detailliert die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke, die seit 1999 leersteht!). Er baute Orangerien in Potsdam und Muskau und Försterhäuser in der Pirschheide, die Fasanerie in Sanssouci und das maurische Dampfmaschinenhaus ebendort. Kleine Monumentalbauten allesamt. Frühindustrielle Projekte (die Speicher und Magazine an der Potsdamer waterfront etwa) gerieten demgegenüber manchmal zu sehr zur Stilmaskerade, prägen aber unser Bild vom frühindustriellen Potsdam in beeindruckender Monumentalität, zu der ihr heute ruinöser Charakter zweifellos beiträgt. Zur Persius-Architektur scheint der Garten zu gehören, den er in aller Regel nicht selbst entworfen hat (im Katalog von Jörg Wacker untersucht). Oder er mußte seine kleinen Monumentalbauten noch besser in die freie Landschaft setzen, sie etwa in den Wildpark (Gabriele Horn) situieren. Hier sind im Musterbeispiele jenes preußischen Arkadien gelungen, die nur von seinen Kirchenbauten übertroffen werden: Der Port zu Sacrow mit der Heilandskirche, "die wie ein Schiff vor Anker liegt" (Friedrich Wilhelm IV.) oder die Friedenskirche in Sanssouci übertreffen seine Kuppel von St. Nikolai, deren stadtbildbestimmende Wirkung Andreas Meinecke untersucht. Wie leicht es Bauwilligen damals gemacht wurde, in Potsdam ein Haus zu errichten, erforschte Faiko Neininger, der über den Potsdamer "Immediatbaufond" berichtet. Von 1816 förderte der König so gut wie alle Privatbauten durch Kostenzuschüsse, um die hart mitgenommene Residenz zu verschönern, und so hat auch Persius fünf Achtel seines (1945 zerstörten) Hauses aus königlichen Mitteln erhalten, "da er ohne Vermögen sei und sich Bauinvestitionen in Potsdam nicht lohnen." (S. 9!) Man warf Persius ein zu großzügiges Bauvorhaben vor. Aber nach anfänglichem Zögern, wurde also auch die Villa Persius größtenteils vom Romantiker auf dem Thron bezahlt. Seliges Potsdam! Das Buch aber ist ein Muß für alle Liebhaber des Preußischen Arkadien und dokumentiert seit 1925 zum ersten Mal das Œuvre des Ludwig Persius, und sie tut dies in einer Vollständigkeit und Opulenz, die den geistigen Aufenthalt an der Havel zu einem Genuß macht.
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Jörg Deuter |
Ludwig Persius. Architekt des Königs. Baukunst unter Friedrich Wilhelm IV. 272 S. 27 cm. Schnell & Steiner, Regensburg 2003. EUR 39,90 |
ISBN 3-7954-1586-1
[Schnell & Steiner]
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