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Palermo. Lavori in corso

Palermo, lavori in corso, andauernde Bauarbeiten, kaum work in progress. Momentaufnahmen in Bild und Text von einer Stadt im italienischen Dauerzustand des unübersehbar Imperfekten. Alles Touristische, Glatte, bleibt hier ausgeblendet. Und es erscheint eine Stadt in der Stadt in der das Unvollendete mit seinen Kontrasten, Gegensätzen, Bruchstellen, Brüchen regiert. Es ist der gestörte urbane Raum der hier ins Bild gelangt, nicht zum ersten Mal Thema des Fotografen. Oft trist, melancholisch, verstörend statt zu begeistern. Nur gelegentlich auch versöhnend, mit einem grünen Feld, bunten Marktständen.

Blicke in den Bauch Palermos, seine noch immer verfallende Altstadt. Die ein engagierter Bürgermeister, die Mafia war auf dem Rückzug, in den neunziger Jahren vor dem totalen Verfall rettete. Mit kabelverhangenen Fassaden, Palimpsesten die Brüche aufdecken statt sie zu verdecken. Fassaden mit zugemauerten Türen, Fenstern, bodenlosen Balkonen. Fast Kulissen in Gassen, hinter Tankstellen, Parkplätzen, Marktplätzen wie jenem ruinierten, den nur ein Fischverkäufer mit seinem Karren belebt. Nicht weit davon und häufig Plakate auf Fassaden und Bauzäunen. Werbung für Damenmode, Dessous, farbgrell-schreiend für Tiervorführungen.

Ein zweiter Blick in das ausgefranzte Kopftuch dieser Stadt, ihre Peripherie. Die dort auf Hügeln und in Tälern hingestreut hochhausbestückten Neubausiedlungen. Mit den nun hier glatten Fassaden, ihre stumme Kälte nur antennenverziert belebt. Nah sind sie sich hier, das alte und neue Palermo. Auch in den Beton-Skeletten von Villen, mafiaaffin illegal errichtet, auf einem Berghügel in einem Naturschutzgebiet. Hier nicht im Bild mutieren sie heute zum graffitiverkunsteten Art Village. Urbanes Chaos, durch künstlerische Gestaltung versöhnt?
Nicht in diesem Buch. Gezeigt werden Gegensätze im Bild, gedoppelt in den bildbegleitenden Schilderungen ebenso gegensätzlicher persönlicher Erlebnisse des Autors. Gegensätze die unaufgelöst stehen bleiben, Lösung unbekannt, Konsens nicht unbedingt nötig, Italien eben. Für den wachen Betrachter des Buches die Chance so dem für ihn Fremdem näher, nahe zu kommen.

Ein Zufall, daß die hier dokumentierten Gegensätze durch zwei sehr feste, kartonierte Buchdeckel gebändigt, zusammengehalten werden? In einem Bericht aus einer Stadt die, wir lernen es, der Zeit immer wieder die Chance bietet einmal still zu stehen. Wie jenem Baukran, seit zehn Jahren nicht mehr bewegt (Seite 79).
Palermo Shooting, unverschwurbelt.

19.11.2017
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Stefan Koppelkamm. Palermo. Lavori in corso. Koppelkamm, Stefan. Ita.; Engl.; Dtsch. 128 S. 75 Abb. 30 x 23 cm. Hatje Cantz, Berlin 2017. EUR 30,00. CHF 37,50.
ISBN 978-3-7757-4317-4
 
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