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Mostar. Unique Sign |
Max Aufischer aus Graz hatte die Idee: Mostar solle Thema und Ort eines Kunstprojektes sein, das sich an die alte, berühmte, aber im Bügerkrieg zerstörte Brücke, das ehemalige Symbol Mostars, annähert. "Während der Kriegsjahre organisierte ich mehrere Projekte in Sarajevo, weswegen ich mehrmals in Bosnien weilte. Ich nutzte jede Gelegenheit, auch nach Mostar zu reisen. Diese ergaben sich kurz nach Beendigung der Kampfhandlungen in Bosnien und Herzegowina. Ich war erschüttert, welchen Anblick mir die Stadt, im speziellen die Altstadt, bot. Die Zerstörungen waren umfassend. Nicht nur die sichtbare Vernichtung von Bausubstanz übertraf jenes Ausmaß, das ich von Fernsehberichten her kannte. Auch die menschlichen, unsichtbaren Dimensionen und die Zerstückelung des Gemeinwesens wurden mir in aller Deutlichkeit bewusst. Die damit zusammenhängende Vernichtung von Bindungen betraf nicht nur die inzwischen "geteilte" Stadt, sie hatte auch gravierende Auswirkungen auf die nachbarlichen Beziehungen und schuf unüberwindliche Gräben, selbst in Familien". In diese trostlose Situation sollte Kunst eindringen, sollte Kunst einen Weg zeigen, sollte Kunst ein Zeichen sein. Max Aufischer, der dem Cultural City Network Graz vorsteht, bat bildende Künstler, das Thema der zerbombten "Alten Brücke" - "Stari Most" aufzugreifen und Kunstobjekte zu schaffen, die auf dem Fluss, der Neretva, schwimmen sollten. Außerdem ließ er Zitate internationaler Autoren auf Fahnen drucken, die die beiden Straßen, die zur Stari Most geführt haben, säumten. "Unique Sign - Unique Location" hieß die Aktion, die im August 2000 mit viel Unterstützung und einigem Publikum stattfand. Von den über dreißig Künstlern und Dichtern kamen sehr unterschiedliche Ideen, die in dem Buch "Mostar. Unique Sign Unique Location" mit Photos und kurzen Stellungnahmen dokumentiert sind. Die 1949 in Mostar geborene Gordana Andelic-Galic hat von Ufer zu Ufer der Neretva auf Kilometerlänge ein weißes Seil gespannt. Im Gesamtbild sieht das aus wie eine Miederschnürung, die die beiden Uferseiten zusammenzieht. Bei langer Betrachtung weicht die Materialisierung zurück, es erinnert dann an eine graphische Arbeit, bei der jemand mit dem Stift über die Landschaft gezeichnet hat. Gordana Andelic-Galic selber hat an das Vernähen von Wunden gedacht. Zu naiv, zu schlicht? Weniger ansehnlich ist das Werk von Mario Cvjetkovic (Jg. 1969). Sein schwarzes Ölbild, das auf dem Fluss schwimmt, erinnert an eine schmutzige Styroporplatte, ein Bauschutt-Überbleibsel, das in einer Pfütze dümpelt oder vergessen in einem Hafenbecken. Ebenso unangenehm-aufwühlend sind die Schweißskulpturen der 30-Jährigen Polin Mariola Wawrzusiak. Sie sind zwar nicht originell, aber passen doch zum Thema des Projektes und stellen bei der Betrachtung aller Beiträge ein wichtiges Bindeglied dar. Zerstörung, Abbruch, aus dem Nichts etwas gestalten, an Krieg und Leid erinnern, Verletzungen, noch ist etwas da - Bruchstücke von Assoziationen eben, die die Werke von "Unique Sign - Unique Location„ hervorrufen. Künstlerisch das herausstechendste Werk sind drei Photographien der in Graz lebenden Japanerin Seiichi Furuya. Kämpfende Hunde, junge Leute in einer aggressiven Nachkriegsdestruktivität. Oder die Straßenlaterne mit unglaublich vielen Einschusslöchern, eine dieser Straßenlaternen, die von Berlin bis Belgrad standen. Die Textbeiträge der Dichter sind nur durch Buchlektüre schwer in einen optischen und inhaltlichen Zusammenhang zum Gesamteindruck des Projektes zu stellen. Es sind sehr schöne poetische Ausflüge dabei (Francisco Brines: "Gekommen war es schon/das schlechte Wetter/verdunkelte/das Licht des Paradieses.) und lang nachwirkende Gedankensplitter (Said: "Die Heimat/ ist die Zeit/die wir/verloren haben.). Das Buch ermöglicht die Beschäftigung mit einem Kunstprojekt, das den Blick auf Zerstörungen richtet, die schon kurz nach einem Krieg keiner mehr verstehen kann. Wie bitternötig die künstlerische Auseinandersetzung ist, wie wegweisend sie sein kann, zeigt diese Dokumentation. Der Beitrag des bekannten Schriftstellers Dzevad Karahasan kann quasi als Leitgedanke stehen: "Das Vergessen ist das Ende der Kultur, und der Aufruf zum Vergessen ist der Auftakt zur Versklavung von Menschen". |
Mareile Ahrndt |
Mostar. Unique Sign - Unique Location. Dt. /Engl. /Slowen. /Kroat. /Bosn. /Russ.. Fotos v. Furuya, Seiichi. 2001. 136 S., 40 fb. u. 30 sw. Abb. 27 cm. Gb EUR[D] 29,- |
ISBN 3-85256-191-4
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