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Stone Vessels in the Near East

Zwar sind Steingefäße während der Antike im gesamten Mittelmeerraum ein wichtiger Kultur- und Technikanzeiger, doch handelt es sich bei dieser Objektkategorie, wenn sie unbeschriftet vorliegt, eher zu den stiefmütterlich in den einzelnen archäologischen Disziplinen abgehandelten Objektklassen.
Mit dem Buch liegt nun die publizierte Dissertation von A. Squitieri vor, der sich in einer interessanten Studie den persischen Steingefäßen in der Levante zuwendet. Einer kurzen Einführung (Kapitel 1, S. 1–7) folgt die Vorstellung der Methodik und Datenbasis (Kapitel 2, S. 8–16). Der chronologische und historische Hintergrund wird in Kapitel 3 (S. 17–28) erläutert.
Die einzelnen Rohmaterialien – getrennt nach der gängigen geologischen Einteilung in a) Magmatische, b) Sediment- c) Metamorphe Gesteine sowie d) Mineralien – werden in Kapitel 4 (S. 29–36) näher besprochen. Ein bereits in der Literatur häufig aufgegriffenes Problem ist auch in diesem Falle die Problematik des Kalzit-Alabasters oder Calcite – ein Gestein, welches häufig in der älteren Literatur fälschlicherweise mit der Gipsform „Alabaster“ bezeichnet wurde. Wenngleich A. Squitieri völlig zu Recht die – in der neueren Literatur häufig zu findende – Bezeichnung „Travertin“ ablehnt (S. 35), so ist doch auch seine Zuweisung des Gesteins (!) zu den Mineralien kritisch zu hinterfragen.
Einen großen Teil der Arbeit nimmt die Vorstellung der Typologie der Steingefäße ein (Kapitel 5, S. 37–97). A. Squitieri unterscheidet für die zugrunde liegenden 1383 Gefäße 25 unterschiedliche Gefäßklassen, die weiterhin in Typen und Subtypen differenziert werden (vgl. Übersicht S. 39). Eingang in die Typologie fanden dabei ausschließlich vollständig erhaltene Gefäße – fragmentiertes Material wurde nicht berücksichtigt (S. 9). Neben dem Errechnen des Gefäßindex verwendet A. Squitieri eine rein morphologisch-deskriptive Unterscheidung. Wenngleich er in einigen Fällen auf die mathematische Formenansprache rekurriert, scheint sie in den meisten Fällen eine eher untergeordnete Rolle gespielt zu haben, wie sich dies auch in der Benennung der einzelnen Gefäßklassen zeigt. Dies ist insofern schade, als dass dadurch erneut eine Steingefäßklassifizierung vorgelegt wird, die kaum überregional verglichen werden kann. Bereits in den frühen 1990er Jahren war auch im Zuge der Bearbeitung ägyptischer Steingefäße v. a. durch S. Hendrickx der Versuch unternommen worden, eine Unterscheidung anhand des Gefäßindex, der vor allem bei der Ansprache von keramischem Material große Verwendung findet, auch für die Bearbeitung von Steingefäßen einzusetzen. Leider hat dieser Ansatz bislang aber nur wenig Beachtung und Verwendung gefunden, was dazu führt, dass kaum vergleichbare Typologiesysteme geschaffen werden. An dieser Stelle kann keine detaillierte Kritik der durch A. Squitieri erarbeiteten Typologie vorgetragen werden, doch sei darauf verwiesen, dass gerade auch in der Reihenfolge und Sortierung der Klassen einige unlogische Brüche zu erkennen sind: So wird mit der Klasse der Paletten begonnen, denen dann die Schüssel (Bowl) folgt, auf die wiederum der Löffel, die Box, die Pyxis, eine rechteckige Schüssel, der Mörser und schließlich der Teller folgen (S. 39).
Die einzelnen Gefäßklassen werden im Text nach einem konsequenten Schema vorgestellt: Einer kurzen Präsentation der wichtigsten Fakten (Typenbezeichnung, Subtypen, Verweis auf die Abbildungen, Katalognummern, Anzahl, Datierung, Verbreitung und Material), folgt die Beschreibung weiterer Einzelheiten. Während diese Beschreibung eine gute Materialpräsentation darstellt, muss leider an der zeichnerischen Darstellung Kritik geübt werden. Davon abgesehen, dass der Maßstab graphisch als sehr dicker Balken oft überdimensioniert und störend empfunden werden dürfte, sind die Zeichnung selbst äußerst schematisch und auffällig kantig gehalten. Darüber hinaus wird auf Abbildungen mit mehren Zeichnungen häufig ein unterschiedlicher Maßstab verwendet, was einen schnellen Größenvergleich erschwert. Negativ wirkt sich der schematische Zeichenstil bei dekorierten Gefäßen aus, wie beispielsweise dem zoomorph gestalteten Gefäß (z.B. fig. 5.5 b–c). Des Weiteren ist unverständlich, warum sowohl Innen- als auch Außenwandung völlig weiß belassen werden, obwohl der Autor im nächsten Kapitel dezidiert auf die Technik und die entsprechenden Bearbeitungsspuren auf den Gefäßen eingeht. Das Einzeichnen von Kratz- und Bohrspuren, zumindest wo noch vorhanden, hätte nicht nur zu optischen Verbesserung der Typenzeichnungen beigetragen, sondern hätte auch gerade das Verständnis zur Steinbearbeitungstechnik anhand der Steingefäße besser aufzeigen können.
In Kapitel 6 setzt sich A. Squitieri sehr ausführlich mit der Fertigung von Steingefäßen und der noch an den Gefäßen nachzuweisenden Methoden auseinander. Bis heute ist dieser wichtige Aspekt der Technikgeschichte weder für Ägypten noch für den Rest des Vorderen Orients restlos geklärt, wenngleich es seit einigen Jahren auch vermehrt experimental-archäologische Bestrebungen gibt, die sich dieser Problematik widmen. Deskriptiv und im Foto zeigt A. Squitieri die einzelnen Bearbeitungsspuren auf und verweist auf mögliche Werkzeuge und Arbeitsabläufe. Hervorzuheben ist auch der experimentelle Herstellungsversuch eines Mörsers aus Basalt mithilfe eines Basaltgerätes (S. 110–112). Eine weitere, äußerst wichtige Erkenntnis ist sicherlich, dass auch nach der Bearbeitung mit gespitzten Meißeln auf vielen Oberflächen von Hartgesteinen kaum eindeutig zu erkennende Bearbeitungsspuren hinterlassen wurden (S. 111) – dies zeigt wiederum die Grenzen der archäologischen Nachweisbarkeit anhand des Steingefäßmaterials auf.
Wie in den meisten Fällen, sind auch aus persischer Zeit im Vorderen Orient kaum Siedlungsfunde mit eindeutigen Hinweisen auf Steingefäßproduktion vorhanden. Zwar kann A. Squitieri einige wenige Funde (z.B. Hazor, S. 120–122) benennen, doch bleibt – gerade auch bei der geringen Anzahl an Halbfabrikaten und Produktionsabfall selbst bei diesen Befunden ein Restzweifel bestehen, ob es sich hier wirklich um Werkstätte handelt.
Im folgenden Kapitel 7 setzt sich der Autor mit der Frage des Handels bzw. des Austausches von Steingefäßen während der persischen Zeit auseinander, wobei er die Aspekte des Austausches von Geschenken, Tributen, sowie Handel und Plünderung näher in den Blick nimmt (S. 123). So wichtig und interessant dieses Kapitel ist, so sehr zeigt sich gleichfalls an diesem Punkt, wie wichtig es gewesen wäre, auch das fragmentierte Material stärker in die Überlegungen mit einfließen zu lassen. Denn gerade für den Anfang der Eisenzeit ist vor allem die recht geringe Anzahl an Gefäßen, die A. Squitieri als Datenbasis für sein Modell dient, äußerst problematisch. Es gelingt ihm ungeachtet des nicht in vollem Umfang ausgenutzten Material- und damit Argumentationspotentials, einen Zusammenhang mit der Plünderung bzw. Tributleistung phönizischer Städte an die assyrischen Herrscher im Falle ägyptischer und ägyptisierender Gefäße in den assyrischen Königspalästen wahrscheinlich zu machen (S. 154–155). Des Weiteren kann er einen Austausch von Gefäßen mit Südarabien und der Levante belegen, wobei wohl die bereits erfolgte Domestikation des Kamels eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben dürfte (S. 152).
In vier kurzen Fallstudien untersucht A. Squitieri in Kapitel 8 die Frage nach der Nutzung der Steingefäße während der Perserzeit. Dekorierte und bestimmte Formen (z.B. saucers; Zylinder) finden sich beispielsweise ausschließlich in Palast- und Tempelarealen und dürften somit eher als Prestige- und Ritualgegenstände verwendet worden sein. Neben dem archäologischen Kontext helfen hierbei auch Texte – darunter auch beschriftete Steingefäße, dieser Frage näher zu kommen. Des Weiteren kann aufgrund von Siedlungsfunden auf einen Zusammenhang mit der Nahrungsproduktion (Mörser) und Bevorratung rückgeschlossen werden (S. 162–164). Als Statussymbole finden sie sich in Häusern und im Grabinventar reich ausgestatteter Gräber (S. 164–174). Darüber hinaus sind einige Kontexte überliefert, die sich nicht mit der Elite zusammenhängen (z.B. Megiddo), S. 174–177).
Der Band endet mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse (Kapitel 9, S. 182–188) einer listenartigen Zusammenstellung der zugrundeliegenden Gefäße (Anhang A – Catalogue), der Auflistung der chronologischen Verteilung der einzelnen Gefäßklassen (Anhang B), sowie dem Literaturverzeichnis.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Qualität der Strichzeichnungen sowie das Fehlen einer weitgehend fotografischen Darstellung der entsprechenden Gefäßklassen und Typen, die Gesamtbewertung der Publikation leider mindern. Hinzu kommt die bereits angesprochene geringe Datenbasis von 1383 Gefäßen, die für den recht großen geographischen Raum sowie die verhältnismäßig langen Betrachtungszeitraum (1200–300 v.u.Z.) sehr wenig erscheinen und daher auch einige der herausgestellten Ergebnisse und Interpretationen hinterfragen lassen. Dies ist insofern schade, als dass durchaus genügend fragmentiertes Material zur Bearbeitung vorliegt und hier mit hätte Eingang finden können. Darüber hinaus ist aber ebenfalls wichtig herauszustellen, dass der vorliegende Band einen entscheidenden Schritt in der Beschäftigung mit dem Steingefäßmaterial im Vorderen Orient aufzeigt und gerade über die Anwendung unterschiedlicher Methoden und Fragestellungen aus der Sozialanthropologie und Wirtschaftsgeschichte neue Wege und Möglichkeiten aufzeigt.

26.06.2017
Robert Kuhn
Andrea Squitieri, Stone Vessels in the Near East During the Iron Age and the Persion Period (c. 1200–330 BCE), Archaeopress Ancient Near Eastern Archaeology 2, Oxford 2017). 284 S., 50 fb. Abb. Archaeopress Verlag 2017. EUR 54,99
Zu beziehen unter: www.archaeopress.com
ISBN 978-1-78491-552-0
 
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