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Senneferi – The Tomb of Pharaoh’s chancelor at Thebes

Unter Federführung des Projektleiters Nigel Strudwick hat das Autorenkollektiv des Cambridge Theban Tomb Projects den ersten von zwei geplanten Bänden zum Grab eines hohen Würdenträgers des Neuen Reiches vorgelegt. Im ersten Band werden vor allem das Projekt, die Grabkapelle und die Funde der 18. Dynastie vorgestellt, während im noch nicht erschienen zweiten Band die Geschichte des Grabes bis zur erneuten Bearbeitung publiziert werden soll. Die Anlage, welche typisch für die 18. Dynastie in T-Form aus dem anstehenden Fels gearbeitet wurde, trägt die Nummer TT 99 und ist bis auf wenige kleinere Untersuchungen, bislang nicht Gegenstand einer detaillierten archäologischen Bearbeitung gewesen. Aufgrund des generell schlechten Erhaltungszustandes der Wanddekoration hat es seit seiner Entdeckung im Jahre 1895 kaum größere Aufmerksamkeit erlangt. Auch das britische Team um N. Strudwick, dass von 1992 bis 2002 im Feld an der Ausgrabung und Fundbearbeitung vor Ort war, hatte die Arbeit zunächst unterschätzt, wie der Autor im Vorwort eindrücklich zugibt. Doch jeder Leser dieses Bandes wird dem Projektleiter zustimmen, dass sich diese Arbeit mehr als gelohnt hat.
Einer kurzen Einleitung mit Darstellung der verwendeten Methoden und dem Aufbau des Bandes (S. 1–7) folgt ein Kurzüberblick zum Grabbesitzer Sennefer(i) und dessen Familie. Dabei wird nicht nur auf die Titelketten im Grab und die Namen, sondern gleichfalls auf Monumente verwiesen, die mit dem Grabbesitzer, ein hoher Beamter und Schatzmeister unter König Thutmosis III. in der 18. Dynastie, im Zusammenhang stehen (S. 9–36). Dem Status entsprechend überrascht es dabei nicht, dass Nennungen seiner Person bis ins Wadi Hammamat und in den Sinai zu finden sind. Als Schatzmeister war er beispielsweise mit der Organisation von Expeditionen beauftragt, was sich auch in einer Inschrift aus Serabit el-Chadim im Sinai zeigt (S. 34). Diese Darstellung ist nicht zuletzt wichtig für die recht genaue Datierung des Grabes und der Schaffenszeit seines Besitzers.
Im dritten Kapitel wird auf die geologische und geographische Situation des Grabes Bezug genommen (S. 37–44). Das von den beiden Grabungsleitern verfasste Kapitel zur Grabarchitektur und Geschichte seiner Entdeckung (S. 45–83) führt dem Leser die einzelnen Räumlichkeiten der Anlage vor Augen. Dabei findet sich nicht nur eine detaillierte architektonische Beschreibung, sondern es wird gleichsam auf Erweiterungen und Veränderungen, wie beispielsweise durch Grabraub eingegangen. Großen Raum nimmt, dem Thema entsprechend, die Beschreibung der Wanddekoration inklusive Übersetzung und Kommentar zu den Texten der Grabkapelle ein (S. 84–160). Dem Dekorationsprogramm, Stil sowie den Farbbestimmungen ist ein weiteres Kapitel (S. 161–168) gewidmet. Das Kapitel zu den Papyri und dem Leichentuch aus Schacht I ist von einer ausgewiesenen Expertin auf dem Gebiet, Irmtraut Munro verfasst und wird von einem Kurzbericht der konservatorischen Arbeiten begleitet. In Kapitel 8 beschäftigt sich schließlich John H. Taylor mit den Särgen aus Schacht I der Grabanlage (S. 181–190).
Pamela Rose übernahm die Bearbeitung der Keramik aus Schacht I (S. 191–238) sowie aus Schacht H (S. 293–314). Das Material wird, nach Tonarten und Formen getrennt vorgestellt. Die hieratischen Gefäßaufschriften wurden von B. Bohleke bearbeitet (S. 239–259). Die gefundenen Inschriften erlauben erneut weitere Einblicke in die Alltagswelt der Elitekultur des Neuen Reiches und vervollständigen somit eindrücklich das Bild, welches sonst vorwiegend durch die Papyri und Wanddekoration geliefert wird. Dabei konnten bereits aufgrund der unterschiedlichen Paläographie zur originären Bestattung gehörige von späteren geschieden werden. Unter den Senneferi-zeitlichen Aufschriften befinden sich vorwiegend Inhaltsangaben (Wein), die vor allem im Zusammenhang mit dem Neujahrsfest stehen, ein Fest, was anscheinend besondere Bedeutung für Senneferi hatte (S. 243–245). Nicht zuletzt helfen auch diese Inschriften, das Datum des Todes von Senneferi näher in den Blick nehmen zu können (S. 250). 10 weitere Aufschriften konnten vom Bearbeiter als jüngere Inschriften identifiziert werden, die allerdings zumeist gleichsam Inhaltsangaben in Form von Tintenaufschriften aufweisen. Dies gilt auch für die Zusammenstellung der Kleinfunde aus Grabschacht I (S. 260–292); darunter unterschiedliche Holzboxen, Steingefäße und Alltagsgegenstände.
Die menschlichen Überreste aus den beiden Grabschächten I und H sind von Tony Waldron besprochen (S. 315–334). Dabei handelte es sich zumeist um nichtartikulierte Knochen und einige wenige fragmentiert vorliegende Mumien. Interessanterweise konnten bei der detaillierten Bearbeitung des Knochenmaterials eine recht hohe Anzahl an Kinderknochen nachgewiesen werden: 5 Erwachsene (Schacht I) und insgesamt sind 26 Erwachsene, 3 Kinder und ein Neonatus (Schacht H) belegt (S. 314; S. 321). Unter den Pathologien sind neben Arthrose, verheilte Knochenbrüche und ein vermutlicher Tumor bei einem männlichen Schädel aus Schacht I (S. 319) nachgewiesen.
Der Band ist mit einem ausführlichen Index, unterteilt nach Königs-, Privat- und Götternamen sowie Museumsobjekten etc. ausgestattet, der einen schnellen und leichten Einstieg in alle wichtigen Aspekte des Bandes erlaubt. Den Abschluss bilden die beiden Tafelabschnitte, unterteilt in 40 s/w Strichzeichnungstafeln mit detailliertem Grabplan und den Faksimile-Zeichnungen der Grabwände sowie 48 Farbtafeln mit weiteren Detailaufnahmen.
Ohne Frage stellt der Band eine hervorragende und mustergültige Grabpublikation dar, die kaum Fragen offen lässt. Das Ergebnis ist eine fundierte, gut lesbare Abhandlung zu einem Grabkomplex, die als Beispiel für eine ägyptologische Grabbearbeitung herangezogen werden kann. Die Bearbeiter legen Ihre Dokumentationsschritte und Methoden transparent und gut nachvollziehbar dar, die Funde selbst werden sowohl in guten Fotografien als auch Zeichnungen vorgelegt. Die einzelnen Bearbeiter sind dabei jeweils anerkannte Spezialisten ihres Faches. Jeder Leser, der sich mit Grabarchitektur und materieller Kultur der 18. Dynastie beschäftigt, wird diesen Band mit Gewinn heranziehen und ausgiebig nutzen.

09.04.2018
Robert Kuhn
The Tomb of Pharaoh`s Chancellor Senneferi at
Thebes. Hrsg.: Nigel Strudwick.Englisch. 2016. 432 S., zahlr. z. T. fb. Abb., 28 x 22 cm. £ 70.00 ca. EUR 108,00 Bestellung unter: orders@orcabookservices.co.uk
ISBN 978-1-78570-331-7
 
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