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Die Inschriften des Doms zu Halberstadt

Das Inschriftenwerk der Deutschen Akademien der Wissenschaften, von dem für Sachsen-Anhalt bisher sieben Titel erschienen sind, verzeichnet überwiegend Inschriften auf Bauteilen und Glocken und vor allem auf Grabdenkmalen. Die Besonderheit des jetzt erschienenen Halberstädter Dombandes sind die vielen Gegenstände des berühmten Domschatzes einschließlich der spätmittelalterlichen Altarretabel: ihrer Anzahl nach umfassen sie fast die Hälfte aller hier aufgenommenen Inschriften. Somit reicht die Zeitspanne der hier aufgenommenen Belege von den ältesten Stücken der Schatzkammer - noch aus dem ersten Jahrtausend - bis zu Grabdenkmalen von vornehmen Kriegsleuten des Dreißigjährigen Krieges. Mehrere Werke bekunden die Verehrung, die Karl der Große als Gründer der Domkirche und Heiliger genoss. Der Bearbeiter des Bandes ist diesem zentralen Sachverhalt hier (nochmals) mit erhellenden Überlegungen nachgegangen. Für den reichen Bestand der Glasmalerei ergänzt das Werk die 2003 im Rahmen des Glasmalerei-Corpuswerkes erschienene umfassende Darstellung von Eva Fitz. Da eine neuere Bearbeitung des Skulpturenschmuckes der Domkirche aus kunstgeschichtlicher Sicht bisher fehlt, sind die von Hans Fuhrmann getroffenen Feststellungen etwa zum Nordportal, seiner Ikonographie und Programmatik um so wichtiger. Gerade bei diesem Portal ist das allgemeine Problem des Steinverfalls am Außenbau und damit der Verlust an künstlerischen und zugleich inhaltlichen Informationen deutlich. Ebenso grundlegend behandelt der Verfasser beispielsweise das Grabdenkmal von Johannes Zemeke im Chorumgang, so dass für die Datierungsfrage der altertümlich erscheinenden Liegefigur des berühmten Domprobstes die historische Überlieferung dargelegt ist. Im übrigen schlägt Fuhrmann für eine ganze Reihe von Gegenständen eine gegenüber den bisherigen Ansätzen präzisierte Datierung vor.

Insbesondere die älteren, vielfach griechisch beschrifteten Schatzstücke byzantinischer Herkunft bekunden die Geschichte dieser Kathedralkirche und ihres Gottesdienstes vor dem Neubau des Domes im 13. bis 15. Jahrhundert. Textzeilen tragen auch die romanischen Teppiche des Schatzes und eine große Zahl der mittelalterlichen Reliquiare. Indem der Bearbeiter alle beschrifteten Gegenstände des Schatzes erfasst und auf der Grundlage ihrer genauen Kenntnis, aller einschlägigen Archivalien und einer Sichtung der gesamten wissenschaftlichen Literatur kenntnisreich kommentiert hat, ist über die epigraphische Sammlung dieser Zeugnisse hinaus einem wissenschaftlicher Katalog des Domschatzes in seiner Gesamtheit ganz entscheidend vorgearbeitet worden. Die Systematik der Bearbeitung ließ es allerdings nicht zu, die Cedulae der Reliquien zu erfassen, zumal es sich ohnehin verbietet, ohne Not die mittelalterlichen Reliquiare zu öffnen. Ob die - vielfach sichtbaren - Authentiken aus paläographischer Sicht zeitgleich mit den jeweiligen, stilgeschichtlich datierten Reliquiaren sind, bleibt dennoch von besonderem Interesse.

In einem einführenden Kapitel hat der Verfasser die Geschichte des Domes und des Schatzes "im Spiegel der Inschriften" zusammengefasst. Sie stellt sich als fundierter, zusammenfasssender Überblick seiner Ausstattungsgeschichte im Bezug zur historischen Überlieferung dar. Für die Kenntnis dieser Domkirche, ihrer Ausstattung und ihres hoch bedeutenden Schatzes ist mit diesem Buch ein überaus wertvoller Beitrag geleistet.
08.03.2010

Peter Findeisen
Die Inschriften des Doms zu Halberstadt. Band 75 der Reihe Die Deutschen Inschriften. Gesammelt und bearbeitet von Hans Fuhrmann. 600 S., 209 Abb. Auf 83 Tafeln. 1 Tafel Steinetzzeichen. 27 x 19 cm, Gb., L. Reichert Verlag, Wiesbaden 2009. EUR 98,00
ISBN 978-3-89500-641-8   [L, Reichert]
 
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