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Das Bild der Natur in der Romantik

"Die Epoche der Romantik bietet ein fesselndes Beispiel dafür, dass viele Künstler und Dichter um 1800 bestrebt waren, empirische und kreative Formen der Welterkundung miteinander zu verbinden." Zum Glück gehen die in diesem Band versammelten zehn Texte von renommierten jungen und älteren Kunsthistoriker*innen und zwei ausgewiesenen Romantikforscher*innen wie vor allem Werner Busch und Johannes Grawe über das in der Einleitung zitierte Anspruchsniveau hinaus. So unterschiedliche Themenstellungen wie beispielsweise die "Philosophie der Landschaft bei David D`Angers und Caspar David Friedrich", "Krankheit im Bild. Carl Julis Mildes Portraitzeichnungen von Psychiatriepatienten" oder "Um 1830. Eine Tour d`horizon zum Verhältnis von Kunst, Wissenschaft und idealistischem Überbau" verraten etwas von der enormen intellektuellen Spannbreite der hier verhandelten erweiterten Sehweisen auf das Themenfeld der Romantik, die seit langem zu den bevorzugten Feldern einer inzwischen interdisziplinären Kunstgeschichtsforschung gehört. Der alle Texte mehr oder wenige verbindende Fokus betrifft die damals im Umbruch befindlichen Vorstellungen, Anschauungen und Bildern einer grenzenlos erweiterten inneren Natur, in der sich heute sicher auch die Probleme heutiger Natur- und Gesellschaftsdiskurse zwischen Apokalypse und Anthropozän hätten thematisieren lassen. Die einstige „Blaue Blume“ der Romantik hat sich heute längst zu einer „Blaupause der Moderne“ transformiert. Leider werden diese seit der Romantik um 1800 spürbaren, transformierenden Bezüge jener Epoche zur Moderne kaum eigens - (kunst-)wissenschaftshistorisch - expliziert. Die/der Leser*in vermisst vor allem einen Forschungsüberblick zur Geschichte der kunst- und ideenhistorischen Romantikforschung, die seit ungefähr 30 Jahren einen ungeahnten Aufschwung genommen hat. Ohne die Exkurse in die jüngsten Diskurse in der heutigen Zeit, in der beispielsweise die romantischen Zeitutopien gerade in ihre dystopischen Momente umschlagen, hätte eine deutlich bewusstere Aktualisierung der Gegenwartsperspektiven des heutigen Romantikbooms dem Ganzen sicher gutgetan. So verdienstvoll, originell und teilweise auch subtil die Texte auch in ihrer wissenschaftlichen Exklusivität neuer Ergebnisse durchwegs sein mögen - die hohen Erwartungen, die dieser auch hervorragend gestaltete Band erweckt, wird auf diese Weise leider insgesamt nicht optimal eingelöst. Die tiefgründige Ambivalenz und fast erschreckende Modernität der Romantik wird leider kaum angedeutet noch überhaupt zum expliziten Thema erhoben und bleibt letztlich der assoziativen Imagination der Leser*innen selbst überlassen. Um 1968 hieß es im damaligen Sound: "Färbt die Blaue Blume rot." Die heutigen Zeiten sind längst nicht mehr "rot", sondern spätmodern grün; doch ohne spezifische Gegenwartsanschlüsse verbleibt dieses Bild der Romantik im Elfenbeinturm der akademischen Kunstgeschichte.

04.02.2022
Michael Kröger
Das Bild der Natur in der Romantik. Kunst als Philosophie und Wissenschaft. Hrsg.: Amstutz, Nina; Bohnenkamp-Renken, Anne; Hennig, Mareike; Wedekind, Gregor. Deutsch. 249 S. 85 sw. Abb., 12 fb. Abb. 23,5 x 15,5 cm. Brill-Fink Verlag, Paderborn 2021. EUR 139,00.
ISBN 978-3-7705-6596-2
 
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