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Vom Essen im Stillleben

Leckeres Experimentierfeld:
Augenschmaus. Vom Essen im Stillleben

Die Kunst des Stilllebens ist eine schöne Angelegenheit. Schön anzusehen. Doch noch schöner wäre es doch, das, was wir auf vielen der wunderbaren Kunstwerke sehen, auch wirklich essen zu können. Das Buch „Augenschmaus“ hakt genau da ein. Die Idee: Stillleben aus der Kunstgeschichte werden Rezepte von Star-Köchen gegenübergestellt.

Stillleben aus fünf Jahrhunderten zeigt dieser prächtige Band, eine Kulturgeschichte des Essens und Trinkens in Bildern, ein Buch, das auf besondere Weise Kunst und Alltag zusammenführt. Versammelt sind hier die ganz großen Namen der Kunstgeschichte: Giuseppe Arcimboldo, Paul Cézanne, Pablo Picasso, Vincent van Gogh, Andy Warhol, Berthe Morisot, Paula Modersohn-Becker oder Maria Lassnig – sie alle haben Stillleben geschaffen.

Paul Cézannes „Steingutkrug“, entstanden 1893, ist eines der schönsten Werke des Buchs, doch was ist ein Stillleben eigentlich? Der Band macht sich in vielen Essays kluge Gedanken dazu. Mehr noch als Nachahmung der Natur, funktioniert das Stillleben in der Kunstgeschichte als Symbolträger, als Allegorie auf das Leben, aber auch auf den Tod. In jedem Fall ist es ein Experimentierfeld für die Malerei, wie etwa das Beispiel Cézannes verdeutlicht: Gerade im Sujet des Stillleben erprobte der Maler seine Attacke auf die Kunst seiner Zeit - wie es vor ihm, im 18. Jahrhundert, Künstler wie Jean-Siméon Chardin oder Anne Vallayer-Coster getan hatten. Revolutionäre Vorläufer der modernen Malerei.

Doch auch wunderbare ältere Kunst ist hier zu bewundern: Giuseppe Arcimboldos Köpfe etwa – oder Arbeiten von Pieter Aertsen. Stillleben entstehen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als autonome Bildgattung. Das 17. Jahrhundert war die große Zeit. Vor allem in den Niederlande blühte das Genre des „stilleven“: Der Kunstmarkt boomte. Jede Bürgerfamilie, die auf sich hielt, hatte ein Stillleben im Salon. Es ist die Epoche der Ausdifferenzierung: Die Maler begannen, sich zu spezialisieren, manche auf gedeckte Tische, andere auf Jagdstücke, wieder andere auf Desserts.

Man bekommt Appetit beim Betrachten der so packenden, sinnlichen Bilder von Malern wie Willem Claesz, Clara Peeters oder Justus Juncker, der im Jahr 1765 eine Birne mit soviel Liebe und Raffinesse gemalt hat, dass man alleine beim Betrachten ihr Aroma im Mund zu schmecken glaubt. Und nur eine Seite weiter verrät uns Nils Henkel vom Restaurant Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach in Bergisch-Gladbach seine Version eines Klassikers: Birnen, Bohnen & Speck. Ein wunderbares Buch für Augen- und Genussmenschen.

1. 04. 2010

Marc Peschke
Augenschmaus. Vom Essen im Stillleben. Hrsg. v. Brugger, Ingried /Eipeldauer, Heike. 248 S., 143 fb. Abb. 30 x 24 cm. Prestel, München 2010. Gb EUR 39,95
ISBN 978-3-7913-5016-5
 
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