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Kunst und Dorf. Interventionen in kunstfremden Räumen

Kunst und Dorf. Interventionen in kunstfremden Räumen lautet der Untertitel, wobei verständlicherweise unterschlagen wird, dass auch manche Köpfe der Dorfbewohner und Politiker der aktuellen Kunst zunächst fremd gegenüberstehen. Auch wenn Kunst meist in Städten stattfindet, allerdings auch dort nur von einer gehobenen Bildungsschicht wahrgenommen wird, können auch in der Provinz, auf dem Land und in kleinen Dörfern Projekte entstehen, die mit den internationalen Qualitätsansprüchen an zeitgenössische Kunst mithalten. Das macht diese Publikation in einem wunderbaren Überblick deutlich.

In 16 Aufsätzen werden einleitend Themen behandelt, wie „Kunst und Dorf heute“, „Kunst und Dorf gestern“ und „Das Dorf von Autarkie und Klassengesellschaft zu Hüslipest und Raumpionieren", will heißen, „das Dorf ist tot oder das (Schweizer) Hüsli ist die Krankheit des Landes“, ein Aufsatz von Benedikt Loderer. Bei den Raumpionieren geht es um „Kunst, Sozialarbeit, Umweltengagement und Wirtschaftsinteressen“ (Miriam Wiesel).
Weitere Kapitel behandeln legendäre historische Künstlerkolonien oder die Landwirtschaft in der Malerei der DDR und weitere Sachtexte zur Dorfgeschichte und zur heutigen Situation von Dörfern.
Anschließend werden in 20 Kurzbeiträgen sowie einem Service-Teil verschiedene Projekte dargestellt. Kuratoren, Autorinnen, Künstler, Historikerinnen und Soziologen schreiben über die Interventionen von zahlreichen Kunstschaffenden in Dörfern Deutschlands, Österreichs, Schweiz, Ungarn und China.

Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt auf Projekten, die mit einem – meist vorübergehenden – Leben der Kunstschaffenden auf dem Land einhergehen und in denen die vielfältigen Facetten des Dorflebens zur Sprache kommen. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, dass die Projekte nachhaltig angelegt sind. Ziel ist immer, die Dorfbewohner zu motivieren und sich auch über die Laufzeit der Projekte hinaus zur „Förderung der Zivilgesellschaft“ die Kunst zu erobern. Das kulturelle Engagement, beschreibt Hansjürgen Diemel mit seinem Projekt „Landarbeit 07“, es bleibe in den seltensten Fällen auf den Kulturbereich beschränkt und sei „die Voraussetzung für Vorgänge, welche sich unter dem Etikett „Repolitisierung des ländlichen Raumes" zusammenzufassen lassen. Es handele sich um Demokratisierungsprozesse von unten, deren politische Sprengkraft noch kaum erkannt worden sei und die zunehmend das Vakuum ausfüllten, welches die traditionelle Heimatpflege hinterlasse.
Das Engagement der Dorfbewohner ist in jedem der Projekte unmittelbar spürbar. „Das dörfliche Publikum nimmt die Themen wörtlich, reagiert mit viel direkterer Betroffenheit und diskutiert am Themenfeld, nicht an den formal-inhaltlichen Rändern“, formuliert es Hubert Lobnig, der ein Projekt im niederösterreichischen Reinsberg durchführte.
Die Herausgeberin Britta Polzer ist Redakteurin der Zeitschrift Kunstbulletin und Dozentin an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich.

Das klingt nun alles nach viel Sachbuch. Das ist es aber nicht nur. Die Beiträge sind locker zu lesen und machen Lust auf Kunst und Kommunikation und neue Ideen zur „Förderung der Zivilgesellschaft“. Das geht in jedem Dorf – am besten mit Kunst.

14.05.2014
Gabriele Klempert
Kunst und Dorf. Interventionen in kunstfremden Räumen. Beitr.: Tippach-Schneider, Simone; Driemel, Hans-Jürgen; Graf, Hanswalter; Schiffers, Antje; Henkel, Gerhard; Atelier Havelblick; Wiesel, Miriam; Ruedin, Pascal; Lobnig, Hubert; Polzer, Brita; Kersten, Anne; Fritz, Martin; Baier, Andrea; Loderer, Benedikt; Hrsg.: Polzer, Brita; Beitr.: Banz, Esther; Weber, Grit. 80 sw. u. 140 fb. Abb. 23 x 20 cm. Pb. Scheidegger & Spiess, Zürich 2013. EUR 38,00. CHF 45,00
ISBN 978-3-85881-400-5   [Scheidegger & Spiess]
 
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