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Die Berliner Secession

Die Berliner Secession war 1898 die dritte Gründung dieser Art, nachdem 1892 die Münchener Secession und 1897 die Wiener an den Start gegangen waren. Gemeinsam war ihnen die Idee, dass fortschriftliche Künstler sich ein eigenes Forum für ihre Ausstellungen schaffen und sich von den großen jährlich stattfindenden Massenausstellungen absetzen wollten. Daher bauten sich alle drei Secessionen auch bald eigene Ausstellungshäuser – nur das spektakuläre in Wien hat überlebt –, mit denen neue Standards in der Präsentation zeitgenössischer Kunst gesetzt wurden. Die Künstler jurierten nicht nur ihre Ausstellungen selbst, sie schufen sich großzügige Räume mit Oberlicht, in denen an dezent farbig gefassten Wänden die Gemälde und Skulpturen optimal zu Geltung kommen konnten, wie zeitgenössischer Berichte überliefern, da es ansonsten natürlich nur Schwarz-Weiß-Photographien von diesen Ausstellungen gibt. Die Bilder wurden auch nicht mehr in zig Reihen übereinander gehängt, wie es zu dieser Zeit noch Standard der Kunstausstellungen war.
Dass die Berliner Gründung die letzte war, könnte ein Zeichen sein, dass sie der Zeit ein wenig hinterherhinkte. Tatsächlich war sie nicht so innovativ wie die in München und prägte auch nicht so sehr einen konkreten Stil wie die Wiener mit dem dortigen Jugendstil. Aber die Berliner Secession verstand es, sich immer wieder zu häuten, sich neuen Generationen zu öffnen und vor allem ein Anziehungspunkt zu bleiben, als sich der Markt für zeitgenössische Kunst nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr in die Reichshauptstadt verlagerte.
Die Entwicklungen war von Künstler- und Kunsthandelspersönlichkeiten wie Max Liebermann, Lovis Corinth und Paul Cassirer geprägt, um nur die prominentesten zu nennen. Und sie gingen nicht ohne Querelen und Intrigen vonstatten wie die Gründungen einer „Neuen Secession“ und einer „Freien Secession“ kurz nacheinander in den virulenten Jahren des Expressionismus kurz vor dem Ersten Weltkrieg zeigen. 1937 wurde die Berliner Secession – wie alle deutschen Kunstvereine – von den Nationalsozialisten aufgelöst. Aber anders als etwa die Münchener Secession, die sich nach dem Krieg neu gründete und bis heute dahinvegetiert, war sie mit diesem abrupten Ende Geschichte geworden.
Dies alles wurde schon zu den frühen Jubiläen von der Secession selbst thematisiert und nach 1945 in einer ganzen Reihe von Büchern zur Geschichte dieser Berliner Institution beschrieben. Die für lange Zeit kenntnisreichste war sicherlich die von Peter Paret, die erstmals 1980 veröffentlicht wurde. Der heute hochbetagte, amerikanische Autor ist ein Enkel von Paul Cassirer und konnte daher aus Quellen erster Hand schöpfen. Seither erschien eine Vielzahl von Einzelstudien zur Berliner Secession und vor allem zu den an ihr beteiligten Künstlern, mit denen die Detailkenntnisse über die Vorgänge innerhalb des Vereins wesentlich vertieft wurden.
Die Autorin des vorliegenden Bandes, Anke Matelowski, ist seit langem wissenschaftliche Mitarbeiterin im Archiv Bildende Kunst der Akademie der Künste, Berlin, einem der zentralen Archive für die Geschichte der Berliner Secession, und seit 20 Jahren immer wieder mit Beiträgen zur Geschichte der Secession in Erscheinung getreten. Sie hat nun eine umfassende neue Geschichte der Secession geschrieben, in der auch erstmals die 1920er und 30er Jahre gleichberechtigt neben den virulenten frühen Jahren behandelt werden. Daneben dokumentiert eine umfangreiche Chronologie alle Ausstellungen und Publikationen, so dass man mit diesem Buch ein unerlässliches Nachschlagewerk zum Berliner Kunstbetrieb in Händen hat. Dies alles könnten unattraktive Listen und ein Wald an Fußnoten sein. Der Nimbus Verlag hat aber daraus ein ansprechendes und attraktives Buch mit zahlreichen dokumentarischen Photos und Reproduktionen ausgestellter Werke gemacht. Er hat damit sein Engagement für die Berliner Kunstszene vor 1945, das er mit der eindrucksvollen Geschichte der Galerie Paul Cassirer begonnen hat, ein weiteres Mal bewiesen.

29.08.2018
Andreas Strobl
Die Berliner Secession 1899-1937. Chronik, Kontext, Schicksal. Matelowski, Anke. 680 S. 220 Abb. Leinen. Nimbus Verlag, Schweiz, Wädenswil 2017. EUR 68,00. CHF 75,00
ISBN 978-3-03850-033-9
 
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