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Bildlabor

In den letzten Jahren haben Pflanzenphotos wieder Konjunktur: Erich Haeckel, Karl Bloßfeldt, Albert Renger-Patzsch, soeben wurden auch Paul Wolffs "Formen des Lebens" wieder aufgelegt, Makro-Aufnahmen von Pflanzenteilen, auch der Sammelband "Flora Photographica" (s. unsere Titelliste) fügt sich in diese Reihe. Das Spiel geht nun weiter mit Elektronen-Rastermikroskop-Bildern:
Man wähnt sich im Reich der Biologie, und die Zeichnungen von Nora Schattauer stehen in feinen Strichen so rätselhaft vor Augen, dass man hinter sie schauen möchte, um dort eine Erklärung für das zu betrachtende Rätsel zu finden. Doch eine schnelle Lösung verwehrt Nora Schattauer, denn das lose Blatt ist nur Fiktion. Dahinter schauen geht nicht, also bleibt der Betrachter auf seine Wahrnehmung beschränkt und muß sich Gedanken machen, einen Text versagt uns der Band.
Und auch wenn man auf den hinteren Seiten erfährt, dass das Abgebildete die Pollen einer Lilie sind, es hilft nicht weiter. Die zwangsläufig hervortretenden Assoziationen bringen den gestrigen Beischlaf ebenso in Erinnerung, wie die Frage der Einkaufsliste für das morgige Mittagessen, und doch werden diese sofort lächerlich, läßt man den Blick einen weiteren Moment verweilen. Am Ende sind es aber doch "nur" Schema-Zeichnungen aus der Zell-Biologie, die die Aktivitäten von Zell-Membranen darstellen, was der Betrachter am Ende des Buches in Erfahrung bringen kann.
Auch die Adern eines Flügels einer Libelle lassen nicht an nüchternes wissenschaftliches Arbeiten denken, und eine kleine stille Kohlezeichnung wird zur Endlosschleife, in der man sich danach sehnt, irgendwann sterben zu dürfen.
Das Buch zieht auch nüchterne Gemüter in seinen Bann, um diese dann schnurstracks in die Irre zu führen, es kidnappt den Betrachter in die Welt der kleinen irrsinnig großen Natur.
Nora Schattauers Bilder der Jahre 2001 und 2002 sind an einem Elektronen-Rastermikroskop entstanden, und sie wählte diese Technik, um präzise räumliche Abbilder von mikroskopisch kleinen, dem menschlichen Auge unsichtbaren Objekten wie Blütenstaub und Salze zu gewinnen. Ihr Blütenstaub und Ihre Salze bergen das ganze Leben.
21.10.2002
Gabriele Klempert
Nora Schattauer. Bildlabor. Hrsg. Klein, Erhard. 2002. 48 S., 48 fb. Abb., Gb, 28 cm, EUR 18,-
ISBN 3-89770-162-6   [Salon Verlag]
 
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