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Alfred Kubin

Kubin selbst nannte seinen einzigen Roman "Die andere Seite": ‘Eine Weltanschauung’, gespeist aus indischem Buddhismus, Salomo Friedländers "Myona"schen Pendeltheorien, Weltuntergangsvisionen des Fin de Siècke, sowie prägenden Bilderinnerungen zwischen Brueghel und Rops (die Illustrationen waren wohl vor dem Text vorhanden!). Kafka hat das Buch früh kennengelernt, Sri Anagarika Govinda hat es als wohl als erster als Initiationsroman gedeutet. Auch Ernst Jünger hat den Roman 1929 rezensiert und dabei als Apokalypse nur der bürgerlichen Gesellschaft mißdeutet. In dieser zumindest zu engen Interpretation ist es für sein eigenes Werk /z. b. "Die Staub-Dämonen") prägend geworden. Die Autorin interessiert "Die andere Seite" nur im Hinblick auf diese Rezeption: Apokalypse-Darstellungen zwischen Magie (Kubin) und Technisierung (Jünger): "Als Alternative zur difizient erachteten technischen Normalwelt entwirft die Kubinsche Apokalypse eine vormoderne, mythisch-okkulte Gegenwelt (...). Anders als Kubin entwickelt Jünger keine Alternativwelten." Jünger sucht Zeichen apokalyptischer Erscheinungen in Großstadt und Krieg. Von Jüngers großer Wertschätzung des Romans (und der Person Kubins) abgesehen, bleiben die politischen und wirkungsästhetischen Gemeinsamkeiten beider Autoren also relativ gering. Auch der Versuch eines Meinard Sild, "Die andere Seite" als "einen bedeutsamen Kommentar" vor dem politischen Hintergrund des Jahres 1939 zu lesen, bietet keinen tragfähigen Ansatz für eine breitere Rezeption Kubins auf Seiten der Träger des NS-Staats. Ganz im Gegenteil war Kubin die Identifikationsfigur vieler Dissidenten von Felix Hartlaub bis hin zu Horst Lange. Schützenden Zweckbehauptungen Kubins auf den Leim gehen heißt es, wenn die Autorin ihn im Dritten Reich als "nicht entartet" einstuft.
Um die ganze Bandbreite des Romans kennenzulernen, wird man weiterhin auch zu den Büchern von Anneliese Hewig und Hans Lippuner (Kubins Bildgedächtnis) greifen müssen, sowie zu den Aufsätzen Hellmuth Petricionis (Untergangsphantasien) und Hans Schumachers (Motiv der ‘verfehlten Initiation’).
Auch die spannungsreiche Freundschaft zweier so unterschiedlicher Charaktere und Weltanschauungen, wie sie Jünger und Kubin repräsentieren, klammert die Autorin in ihrer Darstellung (fast möchte man sagen natürlich) leider von vornherein aus.
Jörg Deuter
Claudia Gerhards: Apokalypse und Moderne. Alfred Kubins "Die andere Seite" und Ernst Jüngers Frühwerk. 158 S., 24 cm, SC; Würzburg 1999. DM 48,-
ISBN 3-8260-1692-0
 
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