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Große RenĂ© Acht-Retrospektive im Museum Schloss Moyland

“keiner Schule sich verschreiben“
Große RenĂ© Acht-Retrospektive im Museum Schloss Moyland
RenĂ© Acht (1920 - 1998) — Werke aus sechs Jahrzehnten
(14. MĂ€rz — 6. Juni 2004) Ausstellungshalle Schloß Moyland

In Fachkreisen dĂŒrfte die erstmals alle Gattungen und Werkphasen umfassende große Retrospektive, mit der das Museum Schloss Moyland an den Schweizer Maler RenĂ© Acht erinnert, eine kleine Sensation bedeuten. In der RĂŒckschau wirkt das Werk dieses KĂŒnstlers wie eine Bestandsaufnahme der stilistischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, in der die bildnerischen Vorstellungen von Wirklichkeit so unterschiedlich wie niemals zuvor formuliert wurden. Dabei beeindruckt das gesamte ƒuvre durch die — trotz klar unterscheidbarer Werkphasen — hervorstechende formale und thematische Folgerichtigkeit der Entwicklung sowie durch das durchgehend hohe kĂŒnstlerische Niveau.
Die GegensĂ€tze konstruktiver und informeller Kunst wie auch die intensive BeschĂ€ftigung mit westeuropĂ€ischer und ostasiatischer Philosophie prĂ€gten den kĂŒnstlerischen Weg RenĂ© Achts. FĂŒr seinen Beitrag zum Informel, mit dem er 1959 auf der documenta 2 und der 5. Biennale in SĂ€o Paulo vertreten war, erfuhr er internationale Beachtung. In jenen Jahren besuchten ihn in seinem Pariser Atelier sowohl reiche Sammler wie das Ehepaar Strauss-de Rothschildt als auch KĂŒnstler wie Eduardo Chillida.
Nach einem traditionsgeprĂ€gten Studium in Basel und einer anschließenden Erforschung vor allem der Kunst des 19. Jahrhunderts setzte RenĂ© Acht sich in wenigen Jahren intensiv mit unterschiedlichen StilphĂ€nomenen der klassischen Moderne auseinander. In einer ersten selbstĂ€ndigen Phase, die er selber ‚Lyrisch-Konkret‘ nannte, griff er Anregungen zeitgenössischer gegenstandloser Malerei auf.
In den 1950er Jahren suchte er den Kontakt zu Julius Bissier, der sich mit dem Zen-Buddhismus und der ostasiatischen Philosophie auseinandersetzte. In der Folgezeit nahm RenĂ© Acht Prinzipien der ostasiatischen Kunst wie die Reduktion der Farbe, die Begrenzung des Motiv- und Formenrepertoires oder die Einbeziehung des Bildgrundes in sein Schaffen auf. Gleichzeitig wurde flir den KĂŒnstler die Konzentration auf die Wiedergabe seelischer Befindlichkeiten immer wichtiger. Sie manifestiert sich in einer bestĂ€ndigen Spannung zwischen dem Ideal der Harmonie und seiner Störung durch die RealitĂ€t.
Als sich RenĂ© Acht Mitte der 1950er Jahre in Richtung der informellen Malerei bewegte, fiel auch hier seine ganz eigene Handschrift auf. Nie zeigten seine Arbeiten das fĂŒr das Informel so typische rein Gestische, immer trat auch das Geformte zu Tage. Nach rund einem Jahrzehnt verließ er die NĂ€he zum Informel, das ihm so viele Erfolge beschert hatte, und fand — erneut ohne hervorstechende BerĂŒhrungen mit zeitgenössischen Entwicklungen — zu einer metaphorischen Bildsprache, die in abstrakten Kompositionen die menschliche Psyche in individuellen Erscheinungsformen thematisiert. Das damals von ihm immer wieder als ‚HAUS‘ benannte Motiv fand einen logischen Abschluss in den Bildern der ‚Kubus-Kreuz-Form-Faltungen‘ der letzten Jahre, die den anthropomorphen Charakter des aufgeklappten Kubus‘ als Kreuz- und dann auch Kruzifixform variieren.
„Ich empfand, dass ich in mir wohnte. Mein Körper wurde mir bewusst zum Haus. Ich empfand mich im Haus, aus dem ich herausschaute und wahrnehmen konnte, was sich um mich herum tat, sah viele Menschen – HĂ€user, die wie ich selbst mit sich alleine waren“, lesen wir in einem Dokument im Nachlass des KĂŒnstlers. Die Figur ‚HAUS‘ hat RenĂ© Acht immer wieder in zahlreichen Arbeiten thematisiert – das Haus als Behausung und menschlicher Körper zugleich, als Inkorporation der Dialektik von innen und außen, die der Mensch im stĂ€ndigen Wandel erfĂ€hrt. In seinem 1957 erschienenen Buch “Poetik des Raumes“ bezeichnete der französische Wissenschaftsphilosoph Gaston Bachelard das Haus als „fĂŒr die Gedanken, Erinnerungen und TrĂ€ume des Menschen eine der großen IntegrationsmĂ€chte“, als einen „Verband von Bildern, die dem Menschen eine StabilitĂ€t beweisen oder vortĂ€uschen...“
Die Ausstellung umfasst nahezu 160 Werke — darunter fast 100 GemĂ€lde — von sehr kleinen bis zu besonders großen Formate. Arbeiten auf Papier sind vertreten durch die Gattungen Druckgraphik, Zeichnung und Scherenschnitt. Letztere bildet mit ihren großen Formaten eine Besonderheit innerhalb der modernen Kunst. Diese dichte und geschlossene Ubersicht ĂŒber das gesamte Schaffen RenĂ© Achts konnte ganz aus BestĂ€nden des Museums Schloss Moyland zusammengestellt werden.
Zur Ausstellung liegt ein Katalog mit 60 ganzseitigen Farbtafeln zum Preis von 22 Euro vor.
Der Textteil enthĂ€lt u. a. AufsĂ€tze der renommierten Kunsthistoriker Prof. Dr. Hans H. HofstĂ€tter und Dr. Rolf Wedewer sowie einen Beitrag des KĂŒnstlers Remy Zaugg, der an
seinen frĂŒheren Lehrer erinnert.
12.3.2004
vdr
René Acht (1920-1998) Werke aus sechs Jahrzehnten. Hrsg. v. Stiftung, Museum, Schloss Moyland. 144 S., 61 fb.Abb. 23 cm. Kerber, Bielefeld 2004. Gb., EUR 30,-
An der Museumskasse kostet der Katalog EUR 22,-
ISBN 3-936646-54-6
 
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