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Distanz und Aneignung

Das noch junge Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris hat sich die Erforschung der Kunst Frankreichs und Deutschlands und vor allem des künstlerischen Austausch zwischen diesen beiden Ländern verschrieben. In der Reihe „Passagen“ sind bereits einige Bände erschienen, die mit den hier angezeigten eine Fortsetzung finden. In den beiden neuen Bänden steht der Zeitraum der beginnenden Avantgarde im Zentrum des Interesses. Sie beschränken sich aber nicht auf die Rezeption der französischen Impressionisten oder des Kubismus in Deutschland, sondern führen in fundierten Einzelstudien auch die französischen Malerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Künstlern wie Eugène Delacroix und François Millet vor, die in Deutschland erst um 1900 als Wegbereiter des Impressionismus wahrgenommen wurden. Umgekehrt nahm man in Frankreich durchaus deutsche Kunst und herausragende Persönlichkeiten wie etwa Max Liebermann zur Kenntnis und schätzte deren Beitrag zur Entwicklung einer neuen Malerei oder zur Modernisierung des Kunsthandwerks. Besondere Aufmerksamkeit bekommen im Band „Distanz und Aneignung“ einige Kunstschriftsteller wie Julius Meier-Graefe und Otto Grautoff auf deutscher Seite oder der Marquis de la Mazelière und Guillaume Apollinaire. Bekannte Namen treffen auf vergessene Protagonisten des Kunstbetriebs. So wird unser Blick auf die kulturellen Beziehungen, den Austausch, aber auch die tragische Verstrickung in eine fortwährende Feindschaft weiter differenziert. Indem die Autoren jeweils klar begrenzte Beispiele herausgreifen, bekommt der Leser die unterschiedlichen Facetten dieser Nachbarschaft vor Augen geführt, ohne dass der Anspruch erhoben würde, deren endgültige Geschichte zu schreiben. Es entsteht so das Bild eines beiderseitigen Gebens und Nehmens, das gleichermaßen von Vorurteilen geprägte war, wie es neue Urteile ermöglichte. Es empfiehlt sich daher, den zweiten, vom ersten unabhängigen Band „Französische Kunst – deutsche Perspektiven“, zur Lektüre heranzuziehen, denn in ihm wird anhand der Originaltexte – Kritiken aus Tageszeitungen und Fachpresse sowie monographische Essays – diese Rezeption wieder lebendig. Zahlreiche, heute zum Teil vergessene Autoren kann man hier wiederentdecken. Es wurde auch hier exemplarisch ausgewählt und natürlich nicht der Anspruch einer Vollständigkeit erhoben. Dennoch ist es bedauerlich, dass zum Beispiel eine Persönlichkeit wie Curt Glaser, als Kunsthistoriker, -kritiker und Sammler auch einer der wichtigen Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland, hier gänzlich unbeachtet blieb. Entgegen der Titel beider Bände fokussieren die Texte und ausgewählten Kritiken die Kunst um 1900 und in den 1920er Jahren; der Expressionismus belieb weitgehend unberücksichtigt, obwohl sich hier weitere Kapitel wechselvollen Austauschs angeschlossen hätten. Unbesehen derart fachlicher Einwände, die man an ein so anspruchsvolles Projekt sicherlich immer stellen kann, sind die beide Bände mit Abbildungen hervorragend ausgestattet und bieten so nicht nur eine instruktive, sondern auch ein vergnügliche Lektüre, die allerdings beim ersten Band einige Französisch-Kenntnisse voraussetzt. Ein weiterer Band mit Quellentexten ist in Vorbereitung, der die französische Sicht auf die deutsche Kunst beinhalten wird. Parallel zu den Buchpublikationen wird eine Datenbank mit diesen Texten aufgebaut, die auch im Internet auf der Homepage des Deutschen Forums (www.dt-forum.org) in einem Auszug zugänglich ist.
12.6.2005
Andreas Strobl
Französische Kunst Deutsche Perspektiven 1870 - 1945. Quellen und Kommentare zur Kunstkritik. Hrsg.: Meyer, Andrea 420 S., 86 z. T. fb. Abb. 24 cm. Gb. (Passagen. Pariser Schriften z. Kunstgesch. 7) Akademie Verlag Berlin 2004.EUR 49,80
ISBN 3-05-004019-X
Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 1870-1940. Distanz und Aneignung. Hrsg.: Kostka, Alexandre /Lucbert, Francoise.400 S., 150 Abb. 24 cm. Gb. (Passagen. Pariser Schriften z. Kunstgesch. 8) Akademie Verlag Berlin 2004. EUR 49,80
ISBN 3-05-004061-0
 
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