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Erfahrungsräume

Ein Katalogbuch über Dani Karavan.

Portbou, die kleine spanische Stadt in den Pyrenäen, ist als touristischer Ort wenig wichtig – als Ort der Erinnerung jedoch von besonderer Bedeutung. Walter Benjamin nahm sich hier das Leben, um seiner Auslieferung nach Deutschland zu entgehen. 1940, nach einer langen Flucht. Der israelische Künstler Dani Karavan hat hier 1994 das Denkmal „Passages“ geschaffen: eine Treppe, die in den Fels eingelassen ist. Das Meer tief unten. Eine Treppe, die im Nichts endet. Eine Inschrift lautet: „Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht.“ Ein meditativer Ort, der als exemplarisch für Karavans ganzes Werk gelten kann.

Bis zum 1. Juni ist im Berliner Martin-Gropius-Bau nun eine große Retrospektive des Werks des Bildhauers zu sehen – eine eindrucksvolle, von Fritz Jacobi zusammengestellte Schau, die von einem nicht minder eindrucksvollen, opulenten Katalog begleitet wird. Es ist die erste Gesamtschau des Künstlers in Deutschland, die vormals im Tel Aviv Museum of Art zu sehen war.

Immer geht es bei Karavan darum, Orte durch die Kunst neu zu beleben, zu verändern – neue Erfahrungsräume zu schaffen, ohne die historischen Bedingungen zu verleugnen. Die Geschichtlichkeit des Ortes ist bei Karavan immer der Ausgang des künstlerischen Denkens. Doch stärker noch als die Geschichte, ist die Natur selbst, sagt der 1930 in Tel Aviv geborene Künstler, der mit Materialien wie Ton, Holz, Stein oder Marmor arbeitet: „Alles, was die Menschen wissen, geht auf die Natur zurück. Alle Formen, ob verborgen oder offen, finden sich in der Natur. Selbst Dinge, die nur in der Imagination oder im Unbewussten existieren, entstammen der Natur.“

Der Katalog in deutscher Sprache gibt einem umfassenden Gesamtüberblick: Er zeigt alle Hauptwerke Karavans seit dem 1968 vollendeten Negev-Monument in Beersheba, mit dem der heute in Paris und Tel Aviv lebende Künstler an den Unabhängigkeitskrieg Israels erinnert. Vorgestellt werden Arbeiten wie „Ma’alot“ in Köln, die „Straße der Menschenrechte“ in Nürnberg, „Mimaamakim“ in Gelsenkirchen oder „Grundgesetz 49“ in Berlin, die stets darum kreisen, das „Erinnerungspotential“ eines Ortes in einer Art Zwiesprache künstlerisch auszuarbeiten. Zu sehen sind auch viele frühen Zeichnungen und Gemälde des documenta 6-Teilnehmers – dargestellt wird auch seine Arbeit als Bühnenbildner. Das essentielle Buch zum Werk des Künstlers mit vielen weiterführenden Texten.
22.4.2008

Marc Peschke
Dani Karavan. Retrospektive. Hrsg. Fritz Jacobi, Mordechai Omer, Jule Reuter. Beitr: Christoph Brockhaus, Nike Bätzner,
Fritz Jacobi, Dani Karavan, Angela Lammert,
Eran Neuman, Mordechai Omer, Jule Reuter,
Shva Salhoov, Tadayasu Sakai, Bettina Schaschke, Varda Steinlauf, Idith Zertal. 408 S., 386 meist fb. Abb., Dtsch/eng. Summeries, 26 x 29,5 cm, Gb., Wasmuth, Berlin 2007. EUR 49,80
ISBN 978-3-8030-3325-3
 
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