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Imi Knoebel. Werke von 1966 bis 2006.

Mit einem ungewöhnlichen Ausstellungskonzept ehrte das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen 2007 Imi Knoebel (*1940), einen der bedeutendsten deutschen Künstler seiner Generation. Nicht der Kurator Dirk Martin allein wählte Werke für die Ausstellung aus, nein, ausgestellt wurden die Werke, die der Künstler für sich selbst als bedeutend ansah. Daher ist die Ausstellung zwar retrospektiv angelegt, gezeigt werden Werke die von 1966 bis 2006 entstanden sind, aber nicht historisch. Das Konzept zeigt sich auch im Katalog, neben Textbeiträgen wurde ein langes Interview, das Johannes Stüttgen 1993 mit Knoebel führte, abgedruckt und neben Abbildungen der Ausstellungsexponate gibt es Schlussteil eine Kombination von Biographie, Verzeichnis der Ausstellungen und Hinweise zur Rezeption.

Knoebel gehört, neben Blinky Palermo, zu den bekanntesten Schülern von Joseph Beuys und mit Palermo verband ihn eine Freundschaft, ja, Palermo war auch für Knoebels künstlerische Entwicklung sehr wichtig. Der Künstler meint im Interview zwar, beide hätten verschiedene Wege eingeschlagen, es gibt aber durchaus viele Berührungspunkte. Am auffälligsten vielleicht, für beide war der russische Konstruktivismus und das gegenstandslose Werk von Kasimir Malewitsch von großer Bedeutung und es brachte sie zu einer dem Konstruktivismus nahen Malerei, die den Raum und Architektur einbezieht. Auf dieses komplexe, wechselseitige Zusammenspiel von Architektur und Kunst, dass Räume und Wände nicht nur als Umfeld des Werkes sieht und das sich auch bei Palermo findet, macht Martin eingangs des Katalogs auch aufmerksam: „die ausgewählten Kunstwerke“ werden zu „einem integrativen Bestandteil der Architektur“ wie umgekehrt „die architektonischen Elemente wie Pfeiler, Wand und Fenster nahezu zum künstlerischen Repertoire werden“. Schließlich, das zeigt die Retrospektive sehr schön, aus den anfänglichen Linienbildern, über die fotografischen Arbeiten, werden die Arbeiten Knoebels selbst immer raumgreifender, bis sie die Zweidimensionalität des Tafelbilds in die dritte Dimension, Skulptur und Objekt entgrenzen. Das Werk >Raum 19< von 1968 zeigt die Infragestellung des Bildbegriffs deutlich, die Objekte füllen nahezu den gesamten Raum aus, sie lösen sich völlig von einem imaginären Bildraum hin zur Verbindung mit dem Realraum. So gleicht der Ausstellungsraum einer Gesamtinstallation.

Nach der Einleitung spricht Johannes Stüttgen zu den fotografischen Arbeiten der Jahre 1968 bis 1974, gefolgt vom Beitrag von Franz-Joachim Verspohl, der zu den künstlerischen Ansätzen von Beuys und seinem Schüler spricht und am Ende des Beitrags auf die Bildtableaus „Ich Nicht“ hinweist, die, gehalten in den Farben Rot, Blau und Gelb, Assoziationen zu Barnett Newmans berühmtem Gemälde „Who ‘s Afraid of Red, Yellow and Blue“ (Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau) nahelegen. Erfrischend Knoebels Kommentar dazu, er habe diese Farben gerade deshalb genommen, um sie von ihrer didaktischen Hypothek zu befreien und sie „expressiv zu machen“. Verspohl kommentiert denn auch „Statt der >Richtkräfte< und der psychischen Energie der Kunstwerke, auf die sich Beuys und Newman konzentierten, setzt Knoebel auf deren reine >Sichtkräfte<“. Sehr spannend ist auch der Beitrag von Wolfram Hogrebe gehalten, der vier Werke mit dem Titel „Amor intellectualis“ interpretiert. Auch mit dieser Werkfolge setzt Knoebel sein gattungsübergreifendes Arbeiten fort, nun aber nicht mehr als Verbindung von Malerei und Architektur sondern von Kunst und Wissenschaft. Die Werkgruppe mit dem auf den Philosophen Baruch de Spinoza „(1632-1677) zurückgehenden Titel „Amor intellectualis“ seien, so Hogrebe, „beide durch Philosophie stimuliert“ und daher ist der Standort, der Eingangsbereich der Universitäten Jena und Bonn, gut gewählt, sollen sie das Universitätspersonal auf die Bedeutung der Philosophie hinweisen. Damit hebt Knoebel die im Zuge der Ausdifferenzierung der universitären Fachdisziplinen entstandene Dichotomisierung der Welt der Kunst, die mit Schönheit und Gefühl verbunden wird, und Wissenschaft, die für die Welt der Begriffe, Tatsachen, Analyse und Wahrheit zuständig wurde, auf. Pointiert faßt Hogrebe daher zusammen, dass beide Gebiete, „wenngleich natürlich nicht deckungsgleich, so doch partiell miteinander >durchwirkt<“ seien, „Kunst ist auch ein Wahrheitsgeschehen, Wissenschaft auch ein Ort der Schönheit“ .

Komplettiert werden die verständlich und interessant gehaltenen Beiträge, Martin Schulz wendet sich dem Werk „Ich Nicht“ zu, von einem Interview mit Knoebel. Er gibt darin Auskunft über Anfänge und Entwicklung seiner Kunst. Ganz erfrischend, Knoebel tappt nicht in die Falle einer retrospektiven Stilisierung, sondern sagt frank und frei, am Anfang habe er von Kunst keine Ahnung gehabt und sei eher dadurch zum Künstlerischen gekommen, weil seine Mutter dies forciert habe. Und so geht es weiter, denn Knoebel sagt, er habe weder gegenständlich zeichnen noch malen können und so habe er einfach Linien auf ein weißes Blatt gezeichnet, die als Linienbilder in Ausstellung und Katalog zu sehen sind und daher sei auch die Entdeckung der abstrakten Kunst die Rettung aus diesem künstlerischen Dilemma gewesen. Auf die Bedeutung von Palermo verweist Knoebel mit dem Ausruf: „ein Meister!“. Nach dessen Tod 1977 widmet Knoebel ihm eine Ausstellung und wird zunehmend freier in der Verwendung von Farben und Formen, die sich 1975 mit dem Werk „Grünes Siebeneck“ bereits andeutet. Freie Formen schneidet er aus, verwendet viele Farben und löst sich vom Bezug auf den rechten Winkel. Auch zum berühmten Werk „Genter Raum“ äußert sich Knoebel freimütig. Dieses sei, zusammen mit „Rot, Gelb, Blau“, der Einstieg in die Malerei gewesen, zuvor sei er sehr unsicher bei der Farbgebung gewesen. Deutlich werden, wie auch im „Raum 19“, Knoebels Arbeitsprinzipien, das Prinzip der Schichtung von Einzelelementen in immer neuen Variationen. Knoebel sagt dazu: „der Stapel, die Reihung, die freien Formen, alle Farben.“

„So ist Kunst nicht Gegenstand / Sondern Erlebnis“ dichtete Eugen Gomringer auf Josef Albers, der Ausstellungskatalog indes vereint beides, Gegenstand und Erlebnis. Gekonnt wird ein großer Künstler der nonfigurativen Abstraktion präsentiert.

13.6.2008

Sigrid Gaisreiter
Imi Knoebel. Werke von 1966 bis 2006. Beitr. v. Hogrebe, Wolfram / Martin, Dirk /Schulz, Martin /Stüttgen, Johannes / Verspohl,Franz J /Stüttgen, Johannes /Knoebel, Imi. Hrsg. v.Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen. 144 S., 80 fb. Abb. 30 x 24 cm. Gb Kerber, Bielefeld 2007. EUR 35,00
ISBN 978-3-86678-089-7
 
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