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Botschaft der Steine

Wer von uns hat nicht als Kind Münzen oder Blätter unter Papier gelegt und ihre Reliefs mit einem Bleistift abgerieben, ohne zu wissen, dass diese graphische Technik, das Übertragen von Oberflächenstrukturen (Holzmaserungen u.a.) auf Papier oder Gewebe im Durchreibeverfahren mit Hilfe von Graphit, in der Fachsprache Frottage heißt und von Max Ernst in den 1920er Jahren entwickelt worden ist.
Die Kunsthistorikerin und Künstlerin Monika Bugs aus Saarbrücken entdeckte die Technik des Frottierens für sich, als sie sich, fasziniert von der Ausdruckskraft der mittelalterlichen Steintafeln in der Basilika Saint-Remi in Reims, zur bildnerischen Übersetzung und Deutung der Tafeln herausgefordert sah.
Diese um 1500 entstandenen Steintafeln, ursprünglich Bodenplatten in der zerstörten Kirche Saint-Nicaise in Reims, sind Quadrate aus feinkörnigem Kalkstein (Seitenlänge 58 cmm), in die Szenen aus dem Alten Testament eingraviert sind. In die eingeritzten Linien wurde Blei gegossen oder mit einem Holzhammer hinein geklopft. Charak¬teristisch für diese mittelalterliche Gravurkunst ist die einfache, klare Linienführung, "die das Wesentliche einer Körperhaltung, einer Bewegung, eines Ausdrucks festhält." Beim Abreiben mit einem Graphitstift erscheint nicht nur das durch die Blei-Inkrustationen entstandene Gefüge aus unterschiedlich breiten, starken oder zarten, erhabenen oder negativen Linien, sondern auch die Struktur des Steines "als Zeichnung auf dem Papier." Das verleiht "der linearen Figur Körperlichkeit, der Bildfläche Räumlichkeit, einzelnen Bildfiguren Bewegung." Darin liegt für die Künstlerin der Reiz des Frottierens. "Den Stein, das Mittelalter, die Botschaft der Bibel berühren, den Geist der Bilder begreifen, ihr Wesen in eine Sprache unserer Zeit vergegenwärtigen", das ist ihr Anliegen. Dazu bedarf es nicht zuletzt viel Fingerspitzengefühl beim Erspüren der Steinoberfläche und seiner Linien sowie beim Druck auf den Stift.
Aus Anlass der Ausstellung der Frottagen von Monika Bugs in Reims und in Aachen erschien das vorliegende Katalogbuch, ein sorgfältig edierter, gediegener Bildband aus cremefarbenem, mattem Kunstdruckpapier in, den Steintafeln entsprechend, quadratischem Format. Er enthält alle 47 der Zerstörung entgangenen Tafeln -nach ungefähren Schätzungen nur etwa ein Viertel der ursprünglich vorhandenen Bodenplatten- als Fotografien in Schwarz- und Grautonen und stellt sie den Frottagen gegenüber.:
In ihrem ausführlichen, ansprechenden und anregende Textbeitrag spricht die Künstlerin über ihre Beziehung zum Ort, zur Kirche, zu den Tafeln und zur Bibel, führt in die Technik und das Wesen der Frottage ein und erläutert ihre Arbeitsweise und ihre Wege der "bildnerischen Umsetzung. Die Verfasser zweier weiterer Beiträge "betrach¬ten die Steintafeln wissenschaftlich und detailliert aus historischer und religionsgeschichtlicher Sicht. Patrick Demouy (Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte, Universität Reims) untersucht die Tafeln in ihrem historischen Kontext und Wolf gang Kraus (u.a. Spezialist für Theologiegeschichte des Urchristentums, Universität des Saarlandes) analysiert die dargestellten Szenen als Einzelepisoden der Heilsgeschichte vor ihren "biblischen Hintergründen. Sämtliche Texte, Bildunterschriften und Anmerkungen sind in deutscher und französischer Sprache abgedruckt. -
Ein schönes und lehrreiches Buch über einen speziellen Bereich der christlichen Kunst, das die wesentliche Botschaft der Bibel, die Errettung durch Gott, vermittelt durch mittelalterliche und zeitgenössische Kunstwerke im Dialog.
11.9.2008
Christa Chatrath
Monika Bugs, Patrick Demouy (ed.). Botschaft der Steine. Message des Pierres. Mittelalterliche Steintafeln und zeitgenössische Frottagen im Dialog. Dalles médiévales et frottages contemporains en dialogue. EUR 49,80
ISBN 978-3-932942-26-6
 
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