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Uferloses Sehen: Roni Horns "Dictionary of Water"

Roni Horns "Dictionary of Water" ist ein Bilderatlas des Sehens. Hundert Jahre nachdem Claude Monet Licht und Nebel an der Themse studiert hatte, richteten Roni Horn und ihr Team das Kamera-Auge einzig auf das Wasser des Flusses. Das Ergebnis liegt in 96 opulenten Farbtafeln vor, die nichts anderes als Impressionen von der Oberfläche der Themse wiedergeben: das Wasser, ruhig fließend, schäumend oder durch Regentropfen bewegt; die Reflexe des Wetters, Spiegelungen von Sonne und Wolken, die Tageszeiten.
Roni Horn öffnet mit ihren Tableaus die Augen für die Kostbarkeit des Augenblicks und die Beschränkung des Sehens auf sich selbst. Vor dem all-over ihrer Wasserlandschaften ergeht es uns wie einst Kleist "vor einer Seelandschaft von Friedrich", über die er notierte, das Bild habe "in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit nichts als den Rahmen zum Vordergrund, als wenn einem die Augenlider werggeschnitten wären".
Die Rahmen der 96 Tafeln werden in dem "Dictionary of Water", das Roni Horn gemeinsam mit dem Verleger Gerhard Steidl puristisch gestaltet hat, allein durch das Weiß des Papiers gebildet, das weder durch Paginierung noch Bildtitel unterbrochen wird. Einmal mehr zeigt sich hier, daß das Buch Roni Horns kongeniales Ausdrucksmittel ist. Schon der Band "you are the weather", 1997 bei Scalo erschienen (vgl. KunstbuchAnzeiger III/1997, S. 6), zeigte, wie sehr sich ihre Arbeiten eigneten, aus einem Kunstbuch ein Künstlerbuch werden zu lassen. Damals wurden die hundert Portraits der aus den heißen isländischen Wassern auftauchenden Margrét zu einem "Dictionary of Portrait", das in Buchform überzeugender und eindringlicher wirkte als in den Installationen der Bilder selbst, etwa auf der Biennale in Venedig.
Roni Horns fotografische Zyklen bannen den Blick und lassen ihre Bildbände zu Enzyklopädien werden, in denen man sich "festsieht" oder von Eintrag zu Eintrag blättert, sowohl vor wie zurück. Das einmal Gesehene läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Wie Monets Serien von Heuschobern oder der Kathedrale von Rouen oder das Wissen um die mannigfachen Bezeichnungen der Eskimos für Schnee lassen sich Roni Horns sinnliche Deklinationen des immer Gleichen nicht wieder vergessen.
Rainer Stamm
Roni Horn. Dictionary of Water. 2001. 200 S., 96 Farbabb., Ln.,DM 178,-
ISBN 3-88243-753-7
 
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