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Stefan Hilden – Venexia

Die Menge der Fotobücher, die über die Stadt Venedig erscheinen, ist weiterhin unüberschaubar groß. Der Sehnsuchtsort in der Lagune zieht Künstler bis heute an: Sie suchen dort, was sie an anderen Orten seltener finden: diese einzigartige Mischung aus Melancholie, Morbidität und Schönheit. Seit dem 19. Jahrhundert geht das schon so. Alle fahren nach Venedig, um sich verzaubern zu lassen.
Der Fotograf Stefan Hilden aber, will nicht so sehr die Schönheit der Lagunenstadt preisen, die venezianische Renaissance, will uns nicht mit altbekannten Motiven ein weiteres Mal um den Finger wickeln. Und er scheut auch das sattsam bekannte Grau in Grau trauriger Gondelbilder.
Sein Buch „Venexia. Hinter den Kulissen von Venedig“ blickt hinter das, was der Münchner als die „Maske“ Venedigs beschreibt. Er zeigt uns Orte, die keine Bestimmung mehr haben, transitorische Plätze, Leerstände, in denen sich neues Leben entwickelt. Das Buch beschreibt auch Hildens Mitarbeit im venezianischen Künstlerkollektiv „Organico“ – er zeigt Bilder eines kreativen Lebens in ruinösen Palästen. Fotografien von Orten, die üblicherweise der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
Typisch für seinen fotografischen Stil ist die Arbeit mit wenig Licht. Die Zeit modelliert seine Motive, sagt Hilden. Und er begibt sich auf die Suche nach Bildern jenseits des Tourismus. Erstaunlich, wie fündig Hilden wird: in verlassenen Gärten, in aufgegebenen Gebäuden und alten Fabriken. Hier findet er eine poröse Stadt, das miteinander Verwachsen unterschiedlicher Architekturen, ein Geflecht, einen lebendigen Organismus, verschiedene Schichten unterschiedlicher Nutzungen. Die Stadt ist ihm ein Palimpsest, eine immer neu zu beschreibende Seite: Immer wieder zeigt er solche Bilder, solche Zeitspuren, ganz konkret: Spuren von Inschriften auf Wänden, Verblichenes und Frisches, Schichten über Schichten.
So wie in dem aufgegebenen Krankenhaus auf dem Lido: Leid und Angst sind hier wie in einer Zeitkapsel gespeichert. Auch in einer verlassenen Kinderpsychiatrie hat er fotografiert. Stille, träumende Orte, wie etwa der Palazzo Mora, die Kunstakademie, Forte Marghera, das Bootsmuseum, den verlassenen Vergnügungspark Veneland, ein Antiquariat und ein Künstleratelier. „Venexia“ ist eines der ungewöhnlichsten Fotobücher über Venedig: komponiert aus 12 packenden, sehr subjektiven Fotoessays, dessen experimentelle Bildsprache genau jene fotografischen Leerstellen, die blinden Flecken findet, die das Bild einer Stadt doch erst vollenden.

05.07.2021
Marc Peschke
Venexia. Hinter den Kulissen von Venedig. Hilden, Stefan. 204 S. 28 x 28 cm. Zu Klempen Verlag, Springe 2021. EUR 30,00.
ISBN 978-3-86674-633-6
 
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