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Räume zwischen Bildern

Kunsthistoriker sind so etwas wie idealtypische Beobachter 2. Ordnung (Niklas Luhmann). Sie beobachten, wie ihre Objekte – Bilder – entstehen, indem sie mit Reihen anderer Bilder verglichen, mit Mustern zwischen ähnlichen Strukturen abgeglichen und zwischen unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Differenzen in der Zeit ihrer Darstellung gebracht wird. Im Großen und Ganzen blieb der Blick des Kunsthistorikers lange auf dem Einzelbild fixiert, während dem Phänomen der Bildung von hyperimages , der Bildung von Bildensembles und Bildzwischenräumen, wie Felix Thürleman einleitend feststellt, kaum wirkliches Interesse entgegengebracht wurde.
Der Band Pendant plus versammelt nun nicht nur eine Reihe von höchst unterschiedlichen Texten, die sich dem Phänomen der Bildung von hyperimages als allgemein menschlicher er Kulturtechnik beschäftigen. Unter der Hand macht die Lektüre dieser Texte auch überaus deutlich, wie sich die in den achtziger und neunziger Jahren des XX. Jahrhunderts entwickelte kunstwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik – wie sie etwa paradigmatisch von Wolfgang Kemp entwickelt wurde - zu einer anthropologischen Praxis der Bildkombinatorik weiterentwickelt hat. Im lebenslang zu übenden Umgang mit Bildern lernt der Bildbeobachter, dass sich zwischen verschiedenen Reihen, Registern und Räumen etwas Unbekanntes ereignen kann, was ein Bild- und Sinngeschehen offenbart, das es in dieser Form und Formulierung bisher noch nicht gab. Bilder - das sind immer auch die Bilder im Kopf, wovon der höchst instruktive Text von Aleida Assmann (S. 47 - 61) und dessen fruchtbaren Grenzüberschreitungen in Richtung auf Präfiguration und Resonanz Begleitphänomene der Bildbetrachtung spricht und der die visionären Energien thematisiert, die bei der Bezugnahme von erinnerten auf aktualisierbare Bildereignisse entstehen. Zu den spannendsten Texten in diesem Band zählt Wolfgang Kemps Bildvergleich zwischen „Zwei Pendants von Hokusai und Max Klinger“, die ihr Autor als kleine Schule der Beziehungsarten zwischen Bildern und ihren theoretisch-historischen Kombinierbarkeiten bezeichnet. Wie Kemp hier auf nur sieben knappen Textseiten ein Panorama hochgradig selektiver Kombinationspraktiken zwischen unterschiedlichen Ansichten und Pendants entwirft und dabei am Ende das Ergebnis seiner Bemühungen als Zustände des Vorher und Nachher fixiert, in dessen „leerer“ Mitte sich die Markierung der Beschreibung einer (Berg-)Predigt ereignet hat – das alles kann schon als Praxis einer künftigen Beobachtung der 3. Ordnung gewertet und verstanden werden.
Die insgesamt 23 Texte zu weiteren Themen wie beispielsweise „Memory als hyperimage“ , zum vergleichenden Sehen und andächtigem Schauen in Rubens´ Rockox-Epitaph, zu David Claerbouts Video, Vietnam, 1967 oder über „Filmische Ein´bild`ungen“ zeigt, wie weithin anschlussfähig dieses ambitionierte Paradigma des hyperimage bereits geworden ist – und die früheren Auseinandersetzungen zwischen Bild- und Kunstwissenschaften inzwischen ziemlich alt aussehen lässt.

25.09.2012

Michael Kröger
Pendant Plus. Praktiken der Bildkombinatorik. Hrsg.: Blum, Gerd; Bogen, Steffen; Ganz, David; Rimmele, Marius. 128 s/w-Abbildungen. 24 x 17 cm. Gb. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2012. EUR 49,00. CHF 65,50
ISBN 978-3-496-01449-2   [Dietrich Reimer Verlag]
 
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