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Kunst und Psyche – Bilder als Spiegel der Seele.

Verborgene Botschaften will der Autor und berühmte Psychotherapeut Tilmann Moser in vielen Kunstwerken entdeckt haben. Das ist nicht neu, schon die Kunstwerke der Sammlung Prinzhorn und art brut oder C.G. Jungs Werk „Der Mensch und seine Symbole“ haben die Psychoanalyse zur Interpretation von Kunstwerken angeregt. Das geht aus Sicht der Psychoanalytiker hervorragend, doch wirken manche Interpretationen Tilmann Mosers auf den Normalbetrachter, den Fachmann oder Laien hin und wieder arg befremdlich.

Über Johann Friedrich Overbecks „Vittoria Caldoni aus Albano“ aus dem Jahr 1821, der Maler wollte das Mädchen als Ideal darstellen, bemängelt Moser einige Unvollkommenheiten; „Aktivität scheint eine Zumutung für diese Frau“. Manche Betrachter werden das Bild anders sehen und in dem kleinen Kürbis auch keine weibliche Brust erkennen, sondern einfach einen Kürbis, und dass der dicke Baumstumpf im Bild zu einem Phallus wird, ist auch nicht jedermann/frau Sache. Hier spricht der Psychoanalytiker!

Weniger auf Körpertherapie ausgerichtet ist die Analyse Mosers „Krimineller Stolz“ zum Foto „Hitler als Reichskanzler“ von Heinrich Hoffmann. Es ist in der Tat interessant, mit welchen Bildelementen sich die Deutschen im Nationalsozialismus verführen ließen, mit Mustern, die leider hin und wieder bis heute gelten.
Bedrückend auch das Bild Pablo Picasso’s „Artiste – Betrübte Mutter mit Kind“. Es zu betrachten macht in der Tat traurig, obwohl das Bild irgendwie auch „schön“ ist. Moser gibt dem Jungen auf diesem Gemälde keine Chance. Er nimmt ein Beispiel aus seiner Therapeutenerfahrung und erklärt, dass der zarte Knabe zum Retter seiner Mutter werden muss. Kann ja sein, muss aber nicht.

Auch Edvard Munchs Gemälde „Mädchen und drei Männerköpfe“ zeigt eindrucksvoll und in aller Brutalität, was viele Mädchen und Frauen in dieser Gesellschaft erleben mussten oder es sich fürchtend vorstellen können, sollte sich irgendwann so ein Chauvie ihrer bemächtigen. In diese Kategorie passt auch das Gemälde „Der Tunnel“ von Paul Delvaux, wobei Moser allerdings die „armen“ Männer scheint bedauern zu müssen, die gefrustet seien, weil die elegante Damenwelt anscheinend ganz cool nur auf kostspieligen Tand und Amüsement ausgerichtet ist. Die Strafe ist dann das Eindringen in den Tunnel, ohne Dampf und mit unbekannt dunklem Ziel.

Die 50 von Tilmann Moser ausgewählten Bilder brechen Tabus, rütteln wach und führen laut Tilmann Moser schnurstracks zu sexuell motivierten Schlüssen. Diese psychotherapeutischen Interpretationen sind hin und wieder etwas quälend. Es gibt auch ganz andere Möglichkeiten, die Bilder in „Kunst und Psyche – Bilder als Spiegel der Seele“ zu interpretieren. Dazu lädt das Buch hervorragend ein.
Auch Psychofreaks können die dunklen Wintermonate also bestens nutzen, sich ein eigenes Bild zu machen oder mit diesem Buch ihrer verklemmten oder chauvinistischen Verwandtschaft die Leviten lesen.

11.12.2014
Gabriele Klempert
Kunst und Psyche. Bilder als Spiegel der Seele. 208 S. 90 fb. Abb. 22 x 17 cm. Gb. Belser Verlag, Suttgart 2014. EUR 22,95. CHF 40.90
ISBN 978-3-7630-2671-5
 
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