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Vom Bauhaus nach Palästina

Das Tourismusmarketing von Tel Aviv hat sich geschickt einem der Mythen bedient, die sich um die Kunsthochschule Bauhaus ranken und bezeichnet sich als „Bauhausstadt“. Auch wenn nur die wenigsten in Tel Aviv tätigen Planer am Bauhaus studiert haben lässt sich mit diesem Etikett einiges bewirken – vor allem bei Touristen, die es nicht so genau wissen wollen, welche Feinheiten es innerhalb der Moderne zu entdecken gibt.
Was das Bauhaus indes tatsächlich mit Israel oder umgekehrt Israel mit dem Bauhaus zu tun hat, erkunden zwei Publikationen, die die Stiftung Bauhaus Dessau im Zuge ihrer Ausstellungstätigkeit im Jahr 2013 vorgelegt hat. Es sind keine Kataloge, sondern Begleit- und Einführungsbüchlein, klein, knapp, konzis, für’s Heimstudium genauso geeignet wie für die Reise. Derart auf den Punkt wird man wohl nirgendwo anders in die Verbindung von Kibbuz und Bauhaus eingeführt, bekommt man einen Einblick in das persönliche Schicksal dreier Bauhäusler, die nach Palästina emigriert sind.
Beide Bände sind analog aufgebaut: knappe Textpassagen und Bildfolgen ergänzen sich wechselseitig. Das beginnt im Fall des Kibbuzbandes mit der Frage: Was ist ein Kibbuz bzw. was passiert darin, dann: welche frühen Beispiele gibt es, gleich danach: wie entwickelte sich die Sache in Palästina und wer sind die Protagonisten. Hier treten dann, in Form von Kurzbiographien, gleich einige Bauhäusler auf, darunter der Architekt Arieh Scharon, einer der wichtigen Anreger des städtebaulich durchstrukturierten, modernen Kibbuz. Besonders reizvoll ist das Buch durch den Ausblick in die Gegenwart, denn es zeigt, dass das Ideal der jüdisch-sozialistischen Siedlungsbewegung im gelobten Land längst grundlegende Veränderungen durchlaufen hat – entweder hin zur professionell-kapitalistischen Produktionsstätte auf Weltmarktniveau oder zur Folklore. Auch dass es – nicht zuletzt durch die Krise 2008 – wieder Interesse daran gibt, zu den Wurzeln der Kibbuzidee zurückzufinden – dies durchaus auch jenseits von Israel – reflektiert der Band. Ein grandioser Rundumschlag auf knappstem Raum.
Im Falle des Bandes „Vom Bauhaus nach Palästina“ bekommen die Leser Einblicke in das Schicksal dreier Bauhäusler, die sich in Palästina als Architekt (Chanan Frenkel), Fotografin (Ricarda Schwerin) und Designer (Heinz Schwerin) niederließen und bei all ihren Unternehmungen immer auch ein Stück Bauhaus mitnahmen. Besonders eindrücklich wird dies bei der von Ricarda und Heinz Schwerin gegründeten Spielzeugfabrik, die in den 1940er Jahren Holzspielzeug in elementaren Formen vermarktete.
Die beiden Bände sind zusammengenommen nicht nur geeignete Lektüre, um die Mythen um Israel und das Bauhaus in Wissen umzuwandeln. Sie sind ideal auch als Reisebegleiter, mehr noch: sie machen, wenn man sie am heimischen Schreibtisch studiert, Lust, sich selbst vor Ort auf die Spuren des Bauhauses zu begeben.

21.02.2014
Christian Welzbacher
Bauhaus Taschenbuch 6: Vom Bauhaus nach Palästina: Chanan Frenkel — Ricarda und Heinz Schwerin. Sonder, Ines; Möller, Werner; Egri, Ruwen. Spector Books, Leizpig 2013. 144 S. zahlr. Abb. Br. EUR 9,25.
ISBN 978-3-944669-11-3
 
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